Sozialversicherung

Gebratene Tauben? Nein, Spatz auf dem Dach, Loch im Hosensack. Ein Kurzvergleich: Sozialversicherung für Künstler/innen in Schweden, Deutschland und der Schweiz

Künstlersozialversicherung in Schweden

Schweden besitzt traditionell ein umfassendes System der sozialen Sicherheit für alle Bevölkerungsgruppen. Es knüpft an der Erwerbstätigkeit an, was in einem Land mit der größtmöglichen Zahl an Erwerbstätigen (Vereinbarkeit von Beruf und Familie, faktischer Pensionsantritt mit 66 Jahren) dazu führt, dass alle, die sich legal auf schwedischem Boden aufhalten, versichert sind. Das System wurde 1999 reformiert und in der Organisation gestrafft. Schon zuvor gab es allerdings – so wie heute – nur zwei mögliche Formen der Erwerbstätigkeit: angestellt und selbständig. Für beide Gruppen gelten folgende Pflichtversicherungen: - Pensionsversicherung - Elternversicherung (Kinderbetreuung: 80% des Gehalts, Elternurlaub ist zu teilen) - Krankenversicherung (umfasst Krankengeld für alle) - Hinterbliebenenversicherung - Unfallversicherung Diese Versicherungen kosten für Angestellte 32,28% des Bruttogehalts, für Selbständige 30,71% des Einkommens. Selbständige können ihre Krankenversicherungskosten senken, indem sie 3 bis 30 Karenztage ohne Krankengeld in Kauf nehmen. Die Pensionsversicherung setzt sich aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, der Vertragsversicherung (im Kollektivvertrag geregelt) und einer allfälligen privaten Absicherung zusammen. Vom Pensionsversicherungsbeitrag von 18,5% werden 16% klassisch veranlagt (Umlageverfahren) und sind die Basis für die einkommensbezogene Pension. 2,5% werden am Aktienmarkt veranlagt, wobei die Betroffenen diese Veranlagung selbst organisieren oder sich einer Gemeinschaft von Versicherten anschließen können, welche die Prämien „professionell“ veranlagt. Folgende Überlegung steckt hinter dieser erzwungenen Aktienspekulation: die Allgemeinheit soll sich für den Kapital- und Aktienmarkt interessieren und sich entsprechend bilden; die Allgemeinheit soll an den Gewinnen (so hofft der schwedische Staat) am Aktienmarkt beteiligt sein. Die Arbeitslosenversicherung ist keine gesetzliche Versicherung. Allerdings haben alle „Arbeitswilligen“ ab 20 Jahren, die keine Arbeit finden, Anspruch auf eine (sehr niedrige) Grundabgeltung. Wer ein einkommensbezogenes Arbeitslosengeld beziehen will, muss sich einer (meist gewerkschaftlich organisierten) Arbeitslosenkassa anschließen. Auch Selbständige können dies tun. Im Versicherungssystem erfasst sind alle, die im Jahr ein Einkommen von 9.500 Kronen (1.031,- Euro) im Jahr erzielen. Das Faktum, dass der schwedische Staat regelmäßige Untersuchungen der Arbeits- und Lebensverhältnisse der Künstler/innen in Auftrag gibt, belegt, dass auch in diesem Land „künstler-spezifische“ Probleme auftauchen bzw. notorisch sind. Ergebnis der aktuelle Analyse ist allerdings, dass die Probleme im Allgemeinen nicht in der Gesetzgebung selbst begründet sind, sondern in der Art, wie Behörden diese Gesetze (in Bezug auf Steuer, Arbeitslosigkeit, Sozialversicherung...) im Fall von Künstler/innen anwenden. Es bestehe eine gravierende Unkenntnis über die Arbeitsbedingungen der Künstler/innen von Seiten der Behörden, das am besten durch spezialisierte Abteilungen innerhalb der Behörden zu beheben sei. Weiters wird die Wichtigkeit der Künstlervereinigungen und ihrer Beratungstätigkeiten hervorgehoben. Im Bereich des Theaters haben die Vereinigung der festen Theaterinstitutionen mit der Organisation der Freien Theaterschaffenden das so genannte „Alliansmodell“ geschaffen, das einen beträchtlichen Teil der Probleme Freischaffender mit wiederkehrender Anstellung zu lösen vermag. Dieses Modell ist vergleichbar dem von der IG Freie Theaterarbeit entwickelten (in Österreich bislang nur theoretischen) Leiharbeitsmodell und wird im Rahmen der staatlichen Untersuchung als sehr erfolgreich beurteilt.

Künstlersozialversicherung in Deutschland

Das Sozialversicherungssystem in Deutschland fußt auf dem Prinzip der Versicherungspflicht (im Gegensatz zur Pflichtversicherung) für Erwerbstätige bzw. für Arbeitgeber. Es ist relativ strikt geregelt und gilt als teuer, da die Leistungen praktisch nur über die Beiträge finanziert werden und kaum über Steueranteile wie z.B. in Österreich oder in der Schweiz. Die Sozialversicherung knüpft an der Erwerbsarbeit an, wobei sich die Relation zwischen Erwerbstätigen und Arbeitssuchenden so verändert hat, dass in den letzten Jahren starke Leistungseinschränkungen dekretiert wurden (Stichwort Agenda 2010) und weitere diskutiert werden. Die Vereinheitlichung des Versicherungswesens für unterschiedliche Berufsgruppen ist nicht soweit fortgeschritten wie z.B. in Schweden: neben den großen Gruppen von Angestellten und Selbständigen gibt es noch spezielle Regelungen für Beamt/innen, aber auch für Bergknappen (!) und selbständige Künstler/innen. Für Angestellte sind alle folgenden Versicherungszweige verpflichtend, für Selbständige alle außer der Arbeitslosenversicherung: - Krankenversicherung (je nach Kasse ca. 14,7 %) - Rentenversicherung (19,5%) - Unfallversicherung (unterschiedliche Träger und Sätze) - Arbeitslosenversicherung (6,5 %) - Pflegeversicherung (1,7 %) Dies ergibt einen Anteil von über 42% am Bruttogehalt, wenn nicht noch Extraverpflichtungen dazu kommen. Selbständige haben etwas über 35% ihres Einkommens als Soziaversicherungsbeiträge abzuführen. Für sie gibt es keine Möglichkeit, sich in der öffentlich-rechtlichen Arbeitslosenversicherung zu versichern.

Die deutsche Künstlersozialkasse wurde 1981 gegründet, nachdem im Auftrag des Bundesregierung bereits 1975 die Arbeits- und Lebenssituation der selbständigen Künstler/innen ausführlich erhoben und beleuchtet worden war. Es hat sich „eine besondere Schutzbedürftigkeit der selbständigen Künstler und Publizisten“ ergeben, die heute kaum mehr bestritten wird. Ihre wirtschaftliche und soziale Situation sei jener von Arbeitnehmern vergleichbar, da sie auf die Mitwirkung von Vermarktern angewiesen seien, um ihre Werke und Leistungen den Endabnehmern zugänglich zu machen (wirtschaftliche Abhängigkeit). Der speziell organisierte Versicherungsschutz knüpft an den wirtschaftlichen Gegebenheiten an, nicht etwa an einer „sozialen Bedürftigkeit“ der Künstler/innen. Die Säulen dieser Form der Versicherung sind: - Die KSK-Versicherten bezahlen vergleichbar den Arbeitnehmer/innen nur 50% der Beiträge in allen Versicherungszweigen - Die Vermarkter leisten einen Beitrag, der an der Summe der von ihnen bezahlten Honorare an Künstler/innen und Publizist/innen anknüpft (30 % der Beiträge) - Der Staat leistet einen Beitrag (derzeit fix 20% der Beiträge) - Für Berufsanfänger/innen gelten besondere Regeln

Wer als selbständige/r Künstler/in oder Publizist/in zwischen 3.900,- Euro (Untergrenze gilt nicht für Berufsanfänger/innen) und 40.500,- Euro im Jahr verdient, ist auf Antrag in der KSK versichert, die günstigere Beiträge verrechnet als andere Versicherer. Im Rahmen der Beitragsüberwachungsverordnung werden seit 1995 die Versicherten der KSK überprüft: vor allem dahingehend, ob das vorab geschätzte Einkommen mit der Realität übereinstimmen. Die Folgen waren vereinzelte Rausschmisse aus der KSK wegen Unterschreitung des Mindesteinkommens und Korrekturen der Beitragshöhe. Nicht gegeben hat es Nachzahlung vergleichbar denen in Österreich wegen zu geringen Einkommens.

Künstlersozialversicherung in der Schweiz

Die Schweiz gilt als ein Land der niedrigen Sozialstandards. Der Trend geht dort jedoch seit Jahren in die Richtung besserer Absicherung. Es gibt nur selbständig und unselbständig Erwerbende. Die obligatorische Pensionsversicherung (AHV ) gilt für alle Erwerbstätigen ab einem Jahreseinkommen von 8.500 CHF (ca. 5.666 Euro) und ist von Arbeitgeber/innen und – nehmer/innen 50 : 50 zu begleichen. Für unselbständig Erwerbende sind die öffentlich organisierte Berufsunfallversicherung und Arbeitslosenversicherung (2%!) sind ebenfalls obligatorisch, sowie eine 2. Säule der Pensionsversicherung, die in der Höhe nicht generell festgelegt ist und von den Arbeitgebern organisiert wird. Krankenversicherung ist für alle verpflichtend, sie muss aber privat organisiert werden. So summieren sich die Sozialversicherungsbeiträge der Unselbständigen auf mindestens 13% (können aber auch wesentlich höher liegen), für Selbständige bei 5,115% bei minimalem Verdienst, im Durchschnitt bei 9,5%. Dazu kommen bei allen die Kosten für die private Krankenversicherung. Für Künstler/innen gibt es spezielle private Stiftungen, die sich zum Ziel gesetzt haben, eine 2. Säule der Pensionsversicherung zu bewerkstelligen. Vorteile im öffentlichen System haben nur unselbständig erwerbende Künstler/innen (im Theater- und Filmbereich) in Bezug auf die Rahmenfristen der Arbeitslosenversicherung. Bei kurzen Anstellungen zählen bis zu 30 Tage doppelt, damit die 12 Beitragsmonate innerhalb von 24 Monaten leichter erreicht werden können.

 
 

 

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