Zwei schwarz-grüne Vorarlberger Regierungsprogramme habe ich als Teil des vierköpfigen grünen Verhandlungsteams mit verhandelt. Beide Male sind wir ziemlich schnell zu einem guten Ergebnis gekommen.
Ob es für Österreich eine türkis-grüne Bundesregierung geben kann? Ich meine: Ja, das kann gehen. Aber wie?
1. Man muss wollen
Die Frage, ob man überhaupt mit einem politischen Mitbewerber eine Regierung bilden will, muss beantwortet sein. Es braucht gute Gründe für eine Zusammenarbeit mit einem politischen Mitbewerber, der teils gegensätzliche Werthaltungen und Ziele hat.
Als Oppositionspartei kann man politische Ziele erreichen, doch als Regierungspartei geht mehr. Das ist ein zentraler Grund. Doch diese Ziele müssen vereinbart werden. Nur wenn man es dem politischen Mitbewerber zutraut, solche Ziele gemeinsam zu formulieren, kann man sich auf den Weg machen.
2. Man braucht Respekt und Vertrauen
Den meisten politischen Mitbewerbern gestehe ich zu, dass sie für die Allgemeinheit etwas erreichen wollen. Sie verfolgen z.B. Ziele wie Standortpolitik, Wachstum, Budgetdisziplin… und sehen darin die Basis für eine gute Entwicklung. Auch wenn das vordergründig keine grünen Ziele sind, ist zu klären, was davon berechtigt und gestaltbar ist im Sinn der grünen Zielsetzungen. Sie zu verwerfen, wäre keine Basis.
Vertrauen hat zwei Ebenen, eine rationale, wo Regeln formuliert und schriftlich festgehalten werden müssen. Vertrauen fußt aber auch auf Erfahrungen, die im emotionalen Gedächtnis gespeichert sind und in jeder Situation blitzschnell abgerufen werden. Ein Polster an guten Erfahrungen hilft, sich auf das Gegenüber einzulassen und an Grenzen zu gehen, um Kompromisse zu erreichen. Jedes Foul, das eine Seite begeht, kostet Vertrauen.
3. Faktenbasis und Kreativität
Wie können beide Seiten ihre Identität und ihr Gesicht bewahren - das ist nicht so leicht, wenn zwei sehr unterschiedliche Parteien es miteinander versuchen. Da braucht es Phantasie und neue Ideen. Zunächst aber braucht es Fakten. Da müssen die Wissenschaft und die Statistik bemüht werden. Darauf wird man sich hoffentlich leicht einigen können.
Nur so konnte in Vorarlberg die gemeinsame Schule überhaupt auf die Tagesordnung und schließlich ins Regierungsprogramm kommen. Forschungsergebnisse können nicht weg gewischt werden. Die Wissenschaft hilft natürlich auch bei Klimaschutzfragen.
Da wo die Gegensätze am größten sind, müssen Ideen entwickelt werden, wie diese aufgeweicht werden können. In Vorarlberg ist das die grünzonenfressende Standortpolitik. Wenn eine Partei auf Aktivitäten der Zivilgesellschaft aufbauen kann, ist das hilfreich. Eine lebendige, furchtlose Zivilgesellschaft, die Bürgeranliegen vertritt, bildet eine Richtschnur, an der sich alle orientieren können.
Doch die Gegensätze sind damit nicht aufgelöst: Kiesabbau gegen Trinkwasser, Arbeitsplätze einer hypertrophen Bauwirtschaft gegen Landschaftsschutz, Betriebsgebiete gegen Landwirtschaft…
Der in Baden-Württemberg erfundene Strategie-Dialog liegt damit auf der Hand. Doch müssen auch dafür Regeln aufgestellt werden, vor allem: Wer ist alles dabei? Und auch da wird schließlich Ernsthaftigkeit gefragt sein. Interessen müssen auf den Tisch und werden dann abgewogen.
4. Faire Rahmenbedingungen
Damit fair verhandelt werden kann, sitzen auf beiden Seiten gleich viele am Tisch. Über den Zeitplan und die Reihenfolge der Themen braucht es Einvernehmen. Die Protokollführung muss geregelt sein. Wer alles als Auskunftspersonen eingeladen werden kann, wie auf Expertise aus Fachabteilungen zurück gegriffen wird – für alles braucht es Regeln, die man sich am besten vorher ausmacht. Auch deshalb ist gegen ausführliches Sondieren nichts zu sagen.
Bleibt schließlich die Textarbeit. Es hilft, mit Bereichen zu beginnen, wo zügig Konsens hergestellt werden kann. Über Dissens-Punkte lange zu streiten, bringt selten Erfolg. Sie können aufgeschoben werden und landen später wieder auf dem Tisch. Es muss stets der Kern des Widerstands herausgearbeitet werden, um weiter zu kommen.
Wie wird an welchen Texten gearbeitet? Wer schreibt mit? Wie werden die Einigungen über Textversionen dokumentiert? Da lauern einige Fallen, die Vertrauen zerstören können. Gute technische Ausstattung kann helfen, z.B. ein großes Display, ein leistungsfähiger Drucker, ein kollaborativer Editor...
Jeder fertige Textabschnitt erhöht die Chance, insgesamt eine Einigung zu erzielen. Das gilt, wenn alle Beteiligten die schwierige Aufgabe ernsthaft in Angriff nehmen mit dem klaren Willen, Einigung zu erzielen. Es können auch koalitionsfreie Räume vereinbart werden, Punkte wo klar wird: „We agree to disagree on that matter“. Da können frei parlamentarische Mehrheiten gesucht werden. Für den kleineren Koalitionspartner stellt sich da naturgemäß die Frage, wo er wohl eine solche Mehrheit findet.
Für die Kommunikation nach außen braucht es strikte Abmachungen. Die Konzentration auf eine Person von jeder Seite, welche spricht, ist notwendig.
5. Und zuletzt
Speed kills. Deshalb: Nicht hetzen lassen, notwendige Pausen machen, ein Tag pro Woche frei - und auf gute Verpflegung achten!
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