Die Hausgeburt wird diskriminiert
Unsere drei Kinder sind alle zu Hause geboren. Die gesetzliche Krankenversicherung hat in keinem Fall die Kosten des (verpflichtenden) Beistands durch die Hebamme zur Gänze getragen. Das hat zu einem Rechtsstreit geführt.
Ich bin der Überzeugung, dass die Krankenkassen bei zwei gleichwertigen Methoden (Hausgeburt / Krankenhausgeburt) nicht ausgerechnet jene diskriminieren dürfen, die geringere Kosten verursacht. Deshalb habe ich die Vorarlberger Gebietskrankenkasse geklagt, nachdem ihr die Unterstützung rund um die Geburt unserer Tochter Karolin nur 600 Euro wert war (die Hebamme hatte für Vorbereitung, Geburt und Nachbetreuung 1.200 verrechnet).
Die Dokumentation dieses – letztlich nicht vom Erfolg gekrönten – Klagsweges liegt hier vor. Eine Antwort auf das zentrale Argument suchen Sie in den drei Urteilen aber vergeblich.
Warum ist das so? Die Antwort ist zum Einen wohl durch den Kommentar auf Seite 22 illustriert. Der Kommentator geht davon aus, dass die Folge von Hausgeburten Kinder mit Behinderungen sind. Doch die Statistik zeigt, dass genau dies nicht der Fall ist. Doch wenn von Geburten die Rede ist, reagiert -auch bei Journalisten - die Emotion, wenn von Hausgeburten die Rede ist, im die Angst. Nur nicht bei jenen, die sich persönlich damit auseinander gesetzt haben.
Ein weiterer Grund für die verbreitete diskriminierende Haltung ist wohl die Tatsache, dass – abgesehen von den Vätern zu Hause geborener Kinder – nur Frauen betroffen sind: einerseits die Gebärenden, andererseits die Hebammen. Auf deren Kosten lässt es sich leicht „sparen“. Die frei praktizierenden Hebammen haben mit dem Hebammengremium keine allzu schlägkräftige Standesvertretung, denn im Gremium vertreten sind nur Spitalshebammen. Und so liegt die Zahl der Hausgeburten in Österreich bei 2% (in den Niederlanden bei 22%). Die Kaiserschnittrate hingegen ist im Jahr 2013 auf etwa ein Drittel gestiegen.
Inhaltsverzeichnis
Die Hausgeburt wird diskriminiert 1
1. Klage beim Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht 2
2. Das Urteil in erster Instanz 3
3. Berufung gegen das Urteil erster Instanz 6
4. Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck 9
1. Klage beim Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht
An das
Landesgericht Feldkirch
Schillerstraße 1
6800 Feldkirch
EINSCHREIBEN
Dornbirn, am 15.4. 2008
Gegen den Bescheid der
Vorarlberger Gebietskrankenkasse
Jahngasse 4
6850 Dornbirn
vom 27.3.2008 reiche ich in offener Frist die folgende
Klage
ein:
1. Sachverhalt
Am 6. Mai 2007 habe ich mein drittes Kind zur Welt gebracht. Ich habe dafür eine von zwei in Österreich anerkannten und gesetzlich geregelten Methoden gewählt, nämlich die Hausgeburt.
Die Hebamme Silvia Gsteu, Feldkirch, hat mir Beistand geleistet und für die Hausbesuche vor und nach der Geburt sowie für die Geburt insgesamt 1.202,68 Euro in Rechnung gestellt (siehe Beilage A, Hebammenrechnung).
In Dornbirn und näherer Umgebung gibt es keine Hebamme, die Hausgeburten betreut und in einem Vertragsverhältnis mit der Vorarlberger Gebietskrankenkasse steht: von elf vorgesehenen Stellen in Vorarlberg sind nur fünf besetzt, wobei nicht alle fünf Hausgeburten betreuen. Ich hätte somit keine andere Hebamme konsultieren können, jedenfalls keine mit Kassenvertrag.
Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse hat von den mir entstandenen Kosten 615,94 Euro erstattet, also ungefähr die Hälfte. Sie begründet dies damit, dass, wer nicht Vertragspartner der Kasse in Anspruch nimmt, gemäß § 159 ASVG iVm 131 Abs 1 ASVG nur 80% des Tarifs vergütet bekommt (siehe Beilage B, Bescheid der VGKK).
Da die Vorarlberger Gebietskrankenkasse keine Hebammen in akzeptabler Entfernung von meinem Wohnort unter Vertrag hat, war ich gezwungen, eine Hebamme ohne Vertrag zu konsultieren. Bei einer Geburt ist es weder möglich, auf eine/n Vertragspartner/in zu warten oder großräumig auszuweichen.
Somit bin ich gegenüber Frauen, die ihre Kinder in Spitälern zur Welt bringen, benachteiligt, denn diese haben keinerlei Kosten selbst zu tragen. Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse schränkt auf diese Weise die Wahlfreiheit der Frauen ein.
Die Geburt im Spital hat weder individuelle Vorteile (sie ist weder ärmer an Risiko als eine gut vorbereitete Hausgeburt1 noch schonender für Frau und Kind) noch bringt sie allgemeine Vorteile wie geringere Kosten – im Gegenteil: Die Spitalserhalter müssen für Geburten in Österreich jährlich rund 480 Millionen Euro aufbringen. Das sind bei 77.914 Geburten im Jahr 2006 ungefähr 6.160 Euro pro Geburt, also wesentlich mehr als frei praktizierende Hebammen üblicherweise verlangen (in meinem Fall rund 1.200 Euro).
2. Forderung
Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse möge veruteilt werden, meine Kosten für die Geburt in der Höhe von 1.202,68 zu 100% bezahlen. Sie ist schließlich dazu angehalten, Vertragspartner/innen zu finden, und ich habe keinerlei Einfluss auf ihr diesbezügliches Bemühen oder Nicht-Bemühen. Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse hätte zudem die Möglichkeit gehabt, in ihrer Satzung zu regeln, dass Kosten für die Inanspruchnahme von Angehörigen der Gesundheitsberufe ohne Kassenvertrag zu 100% übernommen werden können, wenn keine Vertragspartner/innen zur Verfügung stehen. Das hat sie unterlassen.
Ich fordere die Gleichstellung mit Frauen, die ihre Kinder im Spital zur Welt bringen, auch wenn es dafür notwendig sein sollte, das ASVG in diesem Sinn zu ändern bzw. jene Teile des ASVG, die letzlich zu einer Diskriminierung meiner Person in Bezug auf die Hausgeburt führen, aufzuheben.
Juliane Alton
1) Care in normal birth: A practical guide. WHO, 1997.
2. Das Urteil in erster Instanz
Landesgericht Feldkirch
als Arbeits- und Sozialgericht
IM NAMEN DER REPUBLIK
33 Cgs 108/08x
Das Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht hat durch die Richterin Mag. Karin Seidl-Wehinger als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Norbert Stieger aus dem Kreis der Arbeitgeber und Hanni Lang aus dem Kreis der Arbeitnehmer in der Sozialrechtssache Mag. Dr. Juliane Alton, Angestellte, Badgasse 3, 6850 Dornbirn, wider die Beklagte Vorarlberger Gebietskrankenkasse, Jahngasse 4, 6850 Dornbirn, vertreten durch die Mitarbeiterin N.H., wegen Kostenerstattung nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
1. Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die Kosten für die Hebammengebührenrechnung Sivia Gsteu vom 18.05.2007 im Betrag von EUR 615,94 zu ersetzen.
2. Das Mehrbegehren, die Beklagte sei darüber hinaus schuldig, einen weiteren Betrag von EUR 586,74 (restliche Kosten) der Hebammenrechnung Sivia Gsteu binnen 14 Tagen zu ersetzen, wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid der Beklagten vom 27.03.2008 wurden die Kosten für die eingereichte Hebammengebührenrechnung vom 18.05.2007 mit EUR 615,94 bestimmt und das Mehrbegehren abgewiesen.
Fristgerecht brachte die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage ein und führte darin aus, dass sie am 06. Mai 2007 ihr drittes Kind zur Welt gebracht und dabei eine in Österreich anerkannte Methode, nämlich die Hausgeburt gewählt habe. In Dornbirn, ihrem Wohnort und der näheren Umgebung gebe es keine Hebamme, die Hausgeburten betreue, zudem seien von 11 vorgesehenen Stellen in Vorarlberg nur 5 durch Hebammen besetzt. Zudem würden nicht alle Hebammen Hausgeburten durchführen. Die Klägerin habe daher keine Möglichkeit gehabt, eine Hebamme zu konsultieren, die einen Kassenvertrag habe. Sie sei daher gezwungen gewesen, eine Hebamme ohne Vertrag beizuziehen, denn auf Grund der Geburt sei eine größere Entfernung einer Hebamme zum Wohnort nicht möglich. Bei Spitalsgeburten seien sämtliche Kosten von der Gebietskrankenkasse zu tragen, durch diese Geburt seien keine Vorteile für Frau und Kinder gegeben, zudem seien die Kosten im Vergleich zu frei praktizierenden Hebammen für Spitalsgeburten höher. Durch die im Bescheid angeführte Rückerstattung im Ausmaß von 80% des Tarifs sei die Klägerin in ihrer Wahlfreiheit eingeschränkt. Die Klägerin habe zudem keinen Einfluss auf die Anzahl der Vertragspartnerinnen oder ihr Bemühen, derartige Vertragshebammen zu suchen.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte zusammengefasst ein, dass kein Vertragsverhältnis zwischen ihr und der beigezogenen Hebamme Silvia Gsteu besteh. Es sei daher Kostenersatz im Sinne der Bestimmungen des ASVG im Ausmaß von 80% des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner der Beklagten aufzuwenden gewesen wäre, zu erstatten. Daraus errechne sich der im Bescheid bestimmte Betrag.
Die Beklagte habe mit fünf Hebammen Verträge, wobei nicht alle die Bereitschaft hätten, Hausgeburten durchzuführen. Ein Aufkündigen dieser Verträge würde jedoch zur Konsequenz haben, dass noch weniger Vertragshebammen zur Verfügung stünden. Die Bemühungen der Beklagten, eine entsprechend höher Zahl von Vertragshebammen zu gewinnen, seien vom Interesse der möglichen Bewerberinnen abhängig.
Die Klägerin bestritt.
Beweis wurde erhoben durch Einvernahme der Klägerin, Einsicht in die vorgelegten Urkunden, nämlich die Hebammengebührenrechnung Beilage ./A, Bescheid Beilage ./B, Hebammengebührenrechnung samt Rückerstattungsantrag und Vermerken der Beklagten Beilage ./1 Liste Vertragshebammen Beilage ./2.
Nachstehender Sachverhalt wird als entscheidungswesentlich festgestellt:
Die Klägerin wohnt in Dornbirn. Die Beklagte hat Verträge mit Hebammen die in Hard, Ludesch, Bürs, St. Gallenkirch und Riezlern wohnen. Nächstgelegen zum Wohnort der Klägerin wäre sohin die in Hard ansässige Hebamme. Diese bietet keine Hausgeburtsbetreuung an. Hausgeburtsbetreuung wird ausschließlich von den Hebammen in Riezlern, sohin im Kleinen Walsertal, und in St. Gallenkirch, sohin dem hinteren Montafon, und in Bürs ansässigen Hebamme angeboten.
Die Klägerin wählte eine in Feldkirch ansässige Hebamme, Silvia Gsteu, zur Betreuung ihrer Hausgeburt. Diese führte im Rahmen der Vorbetreuung am 20.04.07 sowie am 30,04.07 jeweils einen Hausbesuch durch, wofür jeweils hin und retour 64 km zu fahren waren. Am 06.05.07 fand dann um 22:38 Uhr die Hausgeburt statt, wobei die Betreuung von morgends 08:00 bis 01:00 des nächsten Tages dauerte. Nachbetreuungen wurden am 07.05.07, 09.05.07, 11.05.07, 15.05.07 und am 18.05.07 in Form von 5 Hausbesuchen mit der jeweils gleich gefahrenen Strecke von 64 km hin und retour durchgeführt.
Über diese Leistung stellt Silvia Gsteu eine Hebammengebührenrechnung, die die Klägerin beglich und an die Beklagte einreichte.
Die Rechnungspositionen und die darauf erstatteten Beträge durch die Beklagte stellen sich wie folgt dar:
Vorbetreuung zwei Hausbesuche EUR 114,-- EUR 47,55
128 Kilometer EUR 48,64 EUR 38,50
Hausgeburt EUR 600,-- EUR 288,--
Nachbetreuung 5 Hausbesuche EUR 285,-- EUR 118,88
320 Kilometer EUR 121,60 EUR 96,26
Material EUR 33,44 EUR 26,75
Dass in Vorarlberger Krankenhäusern Geburten betreut und die Leistungen direkt mit der Beklagten abgerechnet werden, ist zwischen den Parteien unstrittig.
Zur Beweiswürdigung:
Die von der Klägerin in Anspruch genommenen, von der Hebamme verrechneten erbrachten zum Kostenersatz eingereichten Leistungen sind zwischen den Parteien unstrittig und gründen ebenso in den Beilagen ./A und ./1.
Dass in Vorarlberg 5 Vertragshebammen der Beklagten bestehen und wo diese ihren Wohnort haben, auch welche davon Hausgeburten durchführen, ergibt sich aus Beilage ./2 im Zusammenhang mit der Aussage der Klägerin, die sich entsprechend informiert hat, welche Vertragshebammen es gibt. Die räumlichen Entfernungen sind gerichtsbekannt, die Höhe der tatsächlichen bereits geleisteten Rückerstattungsbeträge gründet im angefochtenen Bescheid Beilage ./B.
Rechtlich folgt:
Die Beklagte ist im Versicherungsfall der Mutterschaft nach den §§ 157 ff ASVG zu Leistungen verpflichtet. Wiewohl durch den Gesetzgeber hier eigene Bestimmungen geschaffen werden mussten, weil es sich bei der Geburt nicht um eine Krankheit im Sinne des Krankheitsbegriffes des ASVG handelt, hat er für die Gewährung bzw. Erstattung von Ansprüchen im Zusammenhang mit einer Geburt auf die auch für Krankenbehandlung vorgesehenen Bestimmungen verwiesen.
Gemäß § 159 ASVG iVm § 131 Abs 1 ASVG gebührt daher der Klägerin für die von einer Nichtvertragshebamme erbrachten Leistungen der gleiche Rückersatz wie einem Versicherten, der eine Krankenbehandlung außerhalb eines Vertragspartners der Beklagten in Anspruch genommen hat. Der Kostenersatz für derartige Sachleistungen und Behandlungen, konkret Beteuung vor, nach und während der Geburt ist daher 80% jenes Betrages, der bei Inanspruchnahme eines entsprechenden Vertragspartners des Versicherungsträgers von der Beklagten aufzuwenden gewesen wäre. Die von der von der Klägerin beigezogenen Hebamme erbrachten Leistungen sind im Hebammengesamtvertrag, der zwischen dem österreichischen Hebammengremium und dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger, dem auch die Beklagte angehört, enthalten. Dieser Vertrag sieht für Hausbesuche EUR 29,72, für eine Hausgeburt 360,-- sowei pro gefahrenen Kilometer EUR 0,376 im Jahr 2007 vor.
Bei Anwendung der gesetzlichen Formel, Rückersatz 80% des Vertragstarifs bedeutet dies, dass für insgesamt 7 Hausbesuche 7 mal EUR 29,72 multipliziert mit 80% zu ersetzen sind, sohin EUR 166,43, für insgesamt 448 Kilometer EUR 134,76 (gerundet). Für die Hausgeburt, die im Tarif mit EUR 360,-- angeführt ist, beträgt der Rückersatz von 80% EUR 288,--. Bei Materialkosten ist ebenso lediglich ein 80%iger Ersatz zu gewähren, was EUR 26,75 ergibt. Werden diese Beträge addiert, so ist der im Bescheid angeführte Kostenersatz von EUR 615,94 zuzusprechen.
Die von der Klägerin angeführte mangelnde Wahlfreiheit im Hinblick auf die Tatsache, dass es zu wenig Vertragshebammen mit dem Angebot einer Hausgeburt in Vorarlberg gibt, entspricht nicht der gesetzlichen Regelung des ASVG. Es ist lediglich Vorsorge zu treffen, dass im Krankheits/Geburtsfall eine Inanspruchnahme einer Vertragsleistung durch den Versicherten möglich ist. Dies ist im Fall einer Geburt durch die im ganzen Land in Krankenhäusern mögliche Spitalsgeburt gegeben. Eine Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten gibt es auch in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht.Da der Gesetzgeber bei den Leistungen, die im Fall einer Geburt zu ersetzen sind, auf die Regelung der Krankenversicherung verweist, wäre vielmehr ein voller Kostenersatz einer Hausgeburt bei Inanspruchnahme einer Nicht-Vertragshebamme eine Bevorzugung gegenüber anderen Versicherten, die aus ihrer Sicht besonders geeignete Fachleute ohne Vertragsbeziehung zur Beklagten zur Behandlung akuter oder auch nur routinemäßiger Behandlung in Anspruch nehmen und die dafür vorerst selbst bezahlten Kosten bei der Beklagten zur Rückerstattung einreichen.
Da der Bescheid daher der Rechtslage entsprechend ergangen ist, ist lediglich der Bescheid zu wiederholen, das Mehrbegehren abzuweisen.
Landesgericht Feldkirch
als Arbeits- und Sozialgericht
Abt. 10, am 28.05.2008
3. Berufung gegen das Urteil erster Instanz
Die Klägerin erhebt durch ihren ausgewiesenen Verfahrenshelfer gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 28.05.2008, dem Verfahrenshelfer zugestellt am 19.09.2008, GZ: 33 Cgs 108/08x, innerhalb offener Frist nachstehende
B E R U F U N G
an das Oberlandesgericht Innsbruck. Das Urteil wird in seinem gesamten klagsabweisenden Teil angefochten. Geltend gemacht wird der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.
-
Die Hausgeburt gilt einhellig als gesetzlich und als medizinisch anerkannte Methode der Geburt.
Gemäß § 338 Abs. 2 ASVG ist durch Verträge nach Abs. 1 leg. cit. die ausreichende Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Angehörigen mit den gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen sicherzustellen. Dementsprechend wurde zwischen dem österreichischen Hebammengremium und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger ein Hebammengesamtvertrag abgeschlossen.
Allein durch den Abschluss eines solchen Gesamtvertrages ist jedoch die ausreichende, insbesondere die flächendeckende Versorgung der Versicherten nicht sichergestellt. Die Beklagte gesteht in ihrer Klagebeantwortung unumwunden zu, dass eine flächendeckende Versorgung im Bereich Hebammen nicht gegeben ist, sie aber bemüht sei, dem hier Abhilfe zu schaffen. Entsprechende Feststellungen des Erstgerichtes diesbezüglich fehlen allerdings, weshalb das Fehlen dieser Feststellungen als Feststellungsmangel gerügt wird. Es ist gegenständlich aber auch nicht ersichtlich, inwiefern und in welchem Ausmaß die Beklagte sich tatsächlich konkret um eine flächendeckende Versorgung bzw. um den Abschluss von Einzelverträgen in ausreichender Anzahl bemüht haben soll. Offensichtlich führte sie jedenfalls keine Ausschreibungsverfahren durch, da sie ohnedies von mangelnden Interessentinnen ausgeht. Konkrete Maßnahmen zur Sicherstellung der ausreichenden Sicherstellung hat die Beklagte zudem nicht einmal behauptet.
Fakt ist, dass von den 11 vorgesehenen Vertragshebammenstellen lediglich 5 besetzt sind. Hausgeburten werden aber nur von drei dieser Vertragshebammen angeboten, wobei diese in Riezlern, St. Gallenkirch bzw. Bürs, sohin allesamt relativ weit vom Wohnort der Klägerin entfernt, und in eher entlegenen Orten ansässig sind.
Wenn nun schon ein Gesamtvertrag abgeschlossen wird, so wäre dieser aber von der Beklagten auch entsprechend durch den Abschluss von Einzelverträgen umzusetzen. Das Erstgericht hat hinsichtlich allfälliger Bemühungen der Beklagten jedenfalls keinerlei Feststellungen getroffen, so dass wohl (insbesondere auch mangels konkreter Behauptungen durch die Beklagte selbst – sie erwähnt nur, welche Maßnahmen ihrer Ansicht nach nicht sinnvoll sind!) davon ausgegangen werden kann, dass auch keinerlei ausreichende Bemühungen erfolgt sind.
Es bedarf wohl keiner näheren Erläuterung, dass für eine Hausgeburt die Hebamme im räumlichen Nahbereich der werdenden Mutter ansässig sein sollte, damit die ordnungsgemäße und zeitnahe Versorgung der Gebärenden gewährleistet ist.
Allein durch die Tatsache, dass die Beklagte im räumlichen Nahbereich der Klägerin keine Vertragshebamme „anbieten“ konnte, war die Klägerin gezwungen, eine räumlich im Nahbereich ansässige Hebamme (nämlich Silvia Gsteu aus Feldkirch) ohne Kassenvertrag zu beauftragen.
Bliebe die Klägerin nun tatsächlich auf dem nicht zugesprochenen Restbetrag von € 586,74 (restliche Kosten) sitzen, so hieße dies, dass de facto keinerlei Wahlmöglichkeit für die Klägerin bzw. für werdende Mütter bestünde. Hausgeburten würden so für werdende Mütter, die nicht im Kleinwalsertal, im hinteren Montafon oder in der Umgebung von Bürs wohnen, mit erheblichen Kosten belastet. Solche Kosten würden aber nicht entstehen, wenn die Beklagte eine ausreichende und flächendeckende Versorgung durch Vertragshebammen gewährleisten würde. Es ist davon auszugehen, dass viele werdende Mütter nicht in der Lage sind, derartige Kosten selbst zu übernehmen. Hausgeburten wären so wohl für den Großteil der Gebärenden von vornherein auszuschließen, obwohl solche Geburten vielfältigste hinreichend bekannte Vorteile bringen. Auch aus medizinischer Sicht spricht (von einzelnen im Vorhinein erkennbaren Komplikationen abgesehen) nichts gegen Hausgeburten.
Es kann sohin nicht angehen, dass die Klägerin Kosten von € 586,74 tragen soll, nur weil die Beklagte entgegen § 338 Abs. 2 ASVG keine ausreichende Versorgung sicherstellt.
-
Gemäß § 131 Abs. 3 ASVG kann der Versicherte bei im Inland eingetretenen Unfällen, plötzlichen Erkrankungen und ähnlichen Ereignissen den nächsterreichbaren Arzt, etc., in Anspruch nehmen, falls ein Vertragsarzt, etc., nicht rechtzeitig die notwendige Hilfe leisten kann. Der Versicherungsträger hat in solchen Fällen für die dem Versicherten tatsächlich erwachsenen Kosten den in der Satzung festgesetzten Ersatz zu leisten.
Der Zeitpunkt einer Geburt lässt sich im Vorhinein nicht vorhersagen. Die Vertragshebammen, welche Hausgeburten anbieten, sind weit vom Wohnort der Klägerin entfernt ansässig. Hausgeburten werden grundsätzlich (wenn auch nicht flächendeckend) von der Beklagten durch Vertragshebammen angeboten. Eine jede werdende Mutter muss daher die Wahlmöglichkeit haben, sich auch tatsächlich für eine Hausgeburt zu entscheiden.
Auf Grund der räumlichen Distanz der Hausgeburten anbietenden Vertragshebammen zum Wohnort der Klägerin bei der im Inland eingetretenen Geburt im Sinne eines ähnlichen Ereignisses nach § 131 Abs. 3 ASVG, war die Beklagte nicht in der Lage durch Vertragshebammen rechtzeitig die notwendige Hilfe zu leisten. Die Klägerin hat daher gemäß § 131 Abs. 3 ASVG Anspruch auf Ersatz der ihr tatsächlich erwachsenen Kosten.
-
Die Beklagte hätte die Möglichkeit und nach Ansicht der Klägerin die Verpflichtung nach § 131a ASVG die Kostenerstattung durch die Satzung zu erhöhen – zumindest jedenfalls solange ein flächendeckendes Angebot fehlt. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte aber keinen Gebrauch gemacht, obwohl ihr - so ist zumindest die Klagebeantwortung zu verstehen - die Problematik schon seit längerer Zeit bekannt ist. Zwar spricht § 131a ASVG davon dass Vertragsärzte, etc. infolge Fehlens einer Regelung durch Verträge (§ 338 ASVG) nicht zur Verfügung stehen. Dem ist aber der gegenständliche Fall gleich zu halten, wonach zwar eine Regelung durch einen Vertrag gegeben ist, dieser Vertrag aber von der Beklagten nicht ausreichend umgesetzt ist bzw. dieser Vertrag gegen die Bestimmung des § 338 Abs. 2 ASVG verstößt.
-
Die Verpflichtung der Beklagten zum vollständigen Kostenersatz ergibt sich auch aus dem Schadenersatzrecht. Die Beklagte hat sich nicht ausreichend bemüht (jedenfalls sind keine Bemühungen der Beklagten im Ersturteil festgestellt), eine ausreichende Anzahl an Vertragshebammen zur Verfügung zu stellen und eine ausreichende und flächendeckende Versorgung der Versicherten sicherzustellen.
Der Klägerin ist durch dieses rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der Beklagten ein kausaler Schaden in Höhe von € 586,74 entstanden, der von der Beklagten zu ersetzen ist.
Insofern diesbezügliche Feststellungen im erstgerichtlichen Urteil fehlen, wird dies als sekundärer Feststellungsmangel gerügt. Das Erstgericht hätte insbesondere feststellen müssen, dass die Beklagte sich nicht bzw. nur unzureichend um die Besetzung sämtlicher ausgeschriebener Vertragshebammenstellen bemüht hat. Diesbezügliche Feststellungen hätten sich allein schon aus dem Vorbringen in der Klagebeantwortung treffen lassen.
-
Für die Beklagte gilt der verfassungsrechtliche Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Hausgeburten sind, selbst wenn diese nach den Tarifen der privaten Wahlhebammen abgerechnet werden, um vieles billiger als Entbindungen in den Krankenhäusern. Insofern müsste ein vitales Interesse der Beklagten bestehen, die Anzahl der Hausgeburten zu erhöhen. Voraussetzung hierfür ist allerdings entweder die Zurverfügungstellung einer ausreichenden und flächendeckenden Anzahl von Vertragshebammen bzw. wenn dies nicht möglich ist, die Übernahme der Kosten der Wahlhebammen und zwar im vollen Ausmaß und nicht entsprechend jenen des Hebammenvertrages bzw. sogar nur im Ausmaß von 80% hiervon wie gegenständlich.
Sollte die Tatsache, dass Hausgeburten für die Beklagte billiger sind als Geburten in Krankenhäusern nicht gerichtsbekannt sein, so wären hierzu entsprechende Feststellungen zu treffen. Das Erstgericht hat es jedenfalls infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung unterlassen, diesbezügliche Feststellungen zu treffen.
Im Hinblick auf die allgemein bekannte Tatsache, dass die finanzielle Situation der Gebietskrankenkassen als durchaus angespannt bezeichnet werden kann, wiegt dieser Verstoß der Beklagten gegen den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nach Ansicht der Klägerin und wohl auch der Allgemeinheit schwer.
Es wäre für die Beklagte ein Leichtes, sich erhebliche Kosten zu sparen, wenn die Anzahl der Hausgeburten vermehrt werden könnte. Die Beklagte spart sich in concreto selbst dann erhebliche Kosten, wenn sie der Klägerin die ihr entstandenen Kosten der Wahlhebamme im Gesamtausmaß von € 1.202,68 in vollem Umfang ersetzt.
Auch aus diesem Grunde wäre der Klage daher vollumfänglich stattzugeben gewesen.
-
Da eine komplikationslose Schwangerschaft und Geburt keinen regelwidrigen Körperzustand bilden, wurde für sie ein eigener Versicherungsfall der Mutterschaft geschaffen. Weder Schwangerschaft noch Geburt stellen eine Krankheit dar.
Dennoch macht der Gesetzgeber nichts anderes als dass er auf die Bestimmungen der Krankheit verweist (§ 159 ASVG), insbesondere was den Kostenersatz betrifft auf § 131 ASVG.
Dieser Verweis auf die Bestimmungen der Krankheit ist nach Ansicht der Klägerin infolge Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und des Grundsatzes der freien Hebammenwahl verfassungswidrig. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Gleichheitssatz sind an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen. Wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich müssen zu entsprechenden unterschiedlichen Regelungen führen.
Der Gesetzgeber hat erkannt, dass Schwangerschaft und Geburt keine Krankheit sind und hat dementsprechend sogar einen eigenen Versicherungsfall geschaffen. Ohne dass diesbezüglich eine sachliche Rechtfertigung bestünde, erklärt er aber, dass ärztlicher Beistand, Hebammenbeistand und Beistand durch diplomierte Kinderkranken- und Säuglingsschwestern in entsprechender Anwendung der §§ 134 und 135 gewährt wird. Außerdem gebühre Kostenersatz gemäß § 131, wenn die Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner oder eigenen Einrichtungen des Versicherungsträgers in Anspruch genommen hat. In Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes knüpft der Gesetzgeber gegenständlich an wesentlich unterschiedliche Tatbestände dieselben Rechtsfolgen.
Die Klägerin regt daher höflich an, das Oberlandesgericht Innsbruck möge auf Grund von Bedenken gegen die Anwendung des § 159 ASVG – jedenfalls zumindest was die Hausgeburten betrifft – aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit gemäß Art. 89 B-VG den Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmung beim Verfassungsgerichtshof stellen.
Gerade wenn die Sozialversicherungsträger nicht in der Lage sind, eine ausreichende flächendeckende Versorgung zu gewährleisten und wenn Hausgeburten deutlich billiger sind als Geburten in Krankenhäusern, grenzt es zudem beinahe schon an der Willkür, wenn die Klägerin (und wohl auch andere Mütter) die Kosten ihrer Hebamme zu einem erheblichen Teil selbst zu tragen haben.
Durch den pauschalen Verweis auf die Bestimmungen des Krankheitsfalles werden Mütter, die ihre Kinder im Rahmen einer Hausgeburt zur Welt bringen gegenüber jenen, die ihre Kinder im Spital gebähren, unsachlich benachteiligt. Sie haben Kosten zu tragen, die die im Krankenhaus Ggebärenden nicht selbst übernehmen müssen. Außerdem wird auf diese Weise die Wahlfreiheit (Wahl zwischen Hausgeburt und Geburt im Spital) in unzulässiger und unsachlicher Weise beschränkt, zumal auch auf die finanziellen Verhältnisse und wirtschaftlichen Bedürfnisse des Versicherten keinerlei Rücksicht genommen wird. Finanziell nicht gut situierten werdenden Müttern wird dadurch von vornherein die Möglichkeit genommen, eine Hausgeburt durchzuführen.
Auch im Sinne der Vorgaben des Grundsatzes der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit scheint der Verweis des § 159 ASVG verfassungswidrig. Sie hierzu Punkt 5.
Es wird somit an das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht gestellt der
A N T R A G
-
der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass der Klage kostenpflichtig vollinhaltlich stattgegeben wird;
-
in eventu: das angefochtene Urteil im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen;
-
die Beklagte zum Ersatz der gesamten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution gemäß § 19a RAO zu Handen des Klagsvertreters zu verpflichten.
Mag. Dr. Juliane Alton
4. Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck
Im Namen der Republik
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Voigt als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichts Dr. Lux und die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. Müller-Gruber sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ursula Gidl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Leopold Helfer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Mitglieder des Senates in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Juliane Alton, 6850 Dornbirn, wider die beklagte Partei Vorarlberger Gebietskrankenkasse, 6850 Dornbirn, vertreten durch deren Angestellte Dr. Nina Huber, ebendort, wegen Kostenerstattung infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 28.5.2008, 33 Cgs 108/08x-6, in nichtöffentliche Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berunfung wird keine Folge gegeben. Ein Kostenersatz findet im Berufungsverfahren nicht statt. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die in Dornbirn wohnhafte Klägerin hat für die bevorstehende Geburt ihrer dritten Tochter die Hausentbindung gewählt. Sie nahm eine in Feldkirch ansässige Hebamme zur Betreuung ihrer Hausgeburt in Anspruch. Diese führte im Rahmen der Vorbetreuung am 20.4.2007 sowie am 30.4.2007 jeweils einen Hausbesuch durch. Am 6.5.2007 hat die Klägerin ihr drittes Kind geboren. Die Betreuung der Hebamme dauerte von morgens 8:00 Uhr bis 1:00 Uhr des nächsten Tages. In der Folge wurden noch am 7.5., 11.5., 15.5. und 18.5.2007 Nachbetreuungen im Rahmen von fünf Hausbesuchen durchgeführt.
Die Hebamme verrechnete für ihre Leistungen (einschließlich der gefahrenen Kilometer) näher aufgeschlüsselt EUR 1.202,68. Nach Begleichung dieser Rechnung durch die Klägerin hat die Beklagte dieser einen Betrag in der Höhe von EUR 615,94 rückerstattet und über deren Antrag mit ausgefertigtem Bescheid vom 27.3.2008 die Kosten für die eingereichte Hebammengebührenrechnung vom 18.5.2007 mit EUR 615,94 bestimmt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem erkennbaren Begehren, ihr die gesamten Kosten der Hebammenrechnung zuzuerkennen, weil es in Dornbirn und näherer Umgebung keine Hebamme gegeben habe, die mit der Beklagten einen Vertrag abgeschlossen habe. Zudem seien von 11 Hebammenstellen nur 5 besetzt, wovon wiederum nur ein Teil Hausentbindungen betreue. Bei einer Geburt sei es aber nicht möglich, auf einen Vertragspartner der Kasse zu warten oder großräumig auszuweichen. Gegenüber Frauen, die ihre Kinder in Spitälern zur Welt bringen, sei sie benachteiligt, da diese keinerlei Kosten selbst zu tragen hätten. Die Geburt im Spital habe weder individuelle Vorteile - weder ärmer an Risiko noch schonender für Frau und Kind - und sei zudem wesentlich teurer als frei praktizierende Hebammen üblicherweise verlangten. Die Beklagte wäre angehalten gewesen, Vertragspartner/Innen in ausreichender in ausreichender Anzahl zu finden. Auch hätte die Beklagte die Möglichkeit gehabt, in ihrer Satzung zu regeln, dass die Kosten für die Inanspruchnahme von Angehörigen der Gesundheitsberufe ohne Kassenvertrag zu 100% übernommen werden können, wenn keine Vertragspartner/Innen zur Verfügung stehen. Dies habe sie unterlassen und werde sie auch dadurch diskriminiert.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass die Klägerin die in keinem Vertragsverhältnis zur Beklagten stehende Hebamme in Anspruch genommen habe, gemäß § 159 ASVG iVm § 131 Abs 1 ASVG einem Anspruchsberechtigten, der nicht die Vertragspartner oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers in Anspruch nehme, Kostenersatz im Ausmaß von 80% des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre. Die erbrachten Hebammentätigkeiten seien nach dem zwischen dem österreichischen Hebammengremium und dem Hauptverband der österreichischen Versicherungsträger (ua für die Beklagte) abgeschlossenen Hebammengesamtvertrag im Ausmaß von 80% der Vertragstarife abgerechnet worden und der somit errechnete Betrag von EUR 615,94 zuerkannt worden. Die Beklagte sei zwar bemüht, eine flächendeckende Versorgung im Bereich Hebammen anzubieten, doch könne sie Leistungsanbieter nicht zwingen, ihr Vertragspartner zu werden bzw Hausgeburten durchzuführen. Auch eine Kündigung des Hebammengesamtvertrages brächte für die Klägerin bei der anzuwendenden Regelung des § 131 a ASVG kein günstigeres Ergebnis, da auch hier die Leistung der Beklagten mit 80 % des Vertragshonorars limitiert wäre.
Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Erstgericht (in Wiederholung des Bescheides) die Beklagte schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die Kosten für die Hebammengebührenrechnung vom 18.5.2007 im Betrag von EUR 615,94 zu ersetzen. Das Leistungsmehrbegehren von EUR 586,74 wurde abgewiesen. Neben dem eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt traf das Erstgericht noch folgende, im Berufungsverfahren unbekämpfte Feststellungen:
Die Beklagte hat Verträge mit Hebammen, die in Hard, Ludesch, Bürs, St. Gallenkirchen und Riezlern wohnen. Nächstgelegen zum Wohnort der Klägerin wäre eine in Hard ansässige Hebamme. Diese bietet jedoch keine Hausgeburtbetreuung an. Hausgeburtenbetreuung wird ausschließlich von den in Riezlern (im Kleinen Walsertal), in St. Gallenkirchen (sohin im hinteren Montafon) und in Bürs ansässigen Hebammen angeboten. Rechtlich führte das Erstgericht im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass der Klägerin gemäß § 159 ASVG iVm § 131 Abs 1 ASVG für die von einer "Nicht-Vertragshebamme" erbrachten Leistungen der gleiche Rückersatz gebühre, der eine Krankenbehandlung außerhalb eines Vertragspartners der Beklagten in Anspruch genommen habe, sohin 80 % jenes Betrages, der bei Inanspruchnahme eines Vertragspartners von der Beklagten aufzuwenden gewesen wäre. Nach der dafür maßgeblichen Honorierung nach dem Hebammengesamtvertrag sei dies - wie im Einzelnen vom Erstgericht näher aufgeschlüsselt wurde - letztlich der im angefochtenen Bescheid bestimmte Kostenersatz in Höhe von EUR 615,94, weshalb dieser in Wiederholung des bekämpften Bescheides zuzusprechen gewesen sei. Die von der Klägerin angeführte mangelnde Wahlfreiheit wegen eines ausreichenden Angebotes an Vertragshebammen, die eine Hausgeburt betreuten, entspreche nicht der Regelung des ASVG. Die Beklagte sei lediglich im Krankheits/Geburtsfall. verpflichtet, dafür Sorge zu treffen, dass die Inanspruchnahme einer Vertragsleistung durch den Versicherten möglich sei. Eine solche sei durch die Möglichkeit einer Spitalsgeburt gegeben. Eine Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten gebe es in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Ein voller Kostenersatz einer Hausgeburt bei Inanspruchnahme einer Nicht-Vertragshebamme stelle zudem eine Bevorzugung gegenüber anderen Versicherten dar.
Gegen die Abweisung ihres Mehrbegehrens richtet sich die rechtzeitig erhobene Berufung der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte, die den leistungszuspruch unbekämpft ließ, hat rechtzeitig eine Berufungsbeantwortung erstattet und beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.
Da keine der Parteien die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragte und eine solche auch nicht für erforderlich erschien, war über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden (§ 492 Abs 2 ZPO). Der Berufung kommt keine Berechtigung zu:
Die Klägerin wiederholt und präzisiert im Wesentlichen ihren im Verfahren erster Instanz eingenommenen Standpunkt, dass
1) die Beklagte mangels ausreichender Bemühungen entgegen § 338 Abs 2 ASVG keine Vorsorge für eine ausreichende Anzahl von die Hausbetreuung durchführenden Vertragshebammen geschaffen habe, sodass für die Klägerin keine Wahlmöglichkeit bestanden habe, eine Hausgeburt ohne zusätzliche Kostenbelastung vorzunehmen,
2) ein Anwendungsfall des § 131 Abs 3 ASVG vorliege, weil eine Vertragshebamme für die Hausentbindung nicht verfügbar gewesen sei, sodass deshalb die tatsächlichen Kosten zu ersetzen seien,
3) die Beklagte die Möglichkeit und Verpflichtung gehabt hätte, nach § 131 a ASVG die Kostenerstattung zu erhöhen,
4) mangels ausreichender Bemühungen um eine flächendeckende Versorgung mit Hausbetreuung leistenden Vertragshebammen die Beklagte der Klägerin den ihr dadurch entstandenen Schaden in Höhe der nicht erstatteten Kosten aus dem Titel des Schadenersatzes zu ersetzen habe,
5) zufolge des Gebotes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die gegenüber einer Entbindung im Krankenhaus niedrigeren Kosten einer Hausgeburt durch eine Wahlhebamme in tatsächlicher Höhe zu zahlen habe und
6) der im § 159 ASVG erfolgte Verweis des Versicherungsfalls der Mutterschaft hinsichtlich der leistungen auf die Regelungen der Kostenerstattung der Krankenbehandlung gemäß § 131 ASVG gegen die Wahlfreiheit und den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße, weil damit der Gesetzgeber an unterschiedliche Tatbestände dieselben Rechtsfolgen geknüpft habe, sodass eine AntragsteIlung auf Aufhebung dieser Bestimmung - auch wegen des Verstoßes gegen das Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit - beim Verfassungsgerichtshof angeregt werde.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Zu 1) Das österreich ische Sozialversicherungsrecht hat den im § 116 Abs 1 Z 2 ASVG angeführten und im § 120 Abs 1 Z 3 ASVG determinierten Versicherungsfall der Mutterschaft hinsichtlich der Leistungen (§ 117 Z 4 ASVG) im §159 ASVG dahingehend geregelt, dass hiefür ärztlicher Beistand, Hebammenbeistand und Beistand durch diplomierte Kinderkranken- und Säuglingsschwestern in entsprechender Anwendung der §§ 134 und 135 als Sachleistung primär gewährt wird und für den Fall der Nichtinanspruchnahme der Vertragspartner (§ 338 ASVG) oder der eigenen Einrichtungen(Vertragseinrichtungen) des Krankenversicherungsträgers ein Kostenersatz gemäß § 131 ASVG vorgesehen ist. Der nach § 117 Z 4 fit a ASVG normierte Leistungsanspruch aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft umfasst somit in erster Linie ärztlichen Beistand, Hebammenbeistand sowie Beistand durch diplomierte Kinderkranken- und Säuglingsschwestern sowie nach lit b Heilmittel und Heilbehelfe und lit c Pflege in einer Krankenanstalt (auch in einem Entbindungsheim).
In welcher Weise der ärztliche Beistand, Hebammenbeistand und Beistand durch Diplomierte Kinderkranken- und Säuglingsschwestern gewährt wird, regelt § 159 ASVG, nämlich in entsprechender Anwendung der §§ 134 und 135 ASVG. So wie bei der ärztlichen Hilfe gemäß § 135 Abs 1 ASVG unter bestimmten Voraussetzungen auch Leistungen von Nicht-Ärzten gleichgestellt sind - etwa seit der 50. ASVG-Novelle eine Krankenbehandlung durch Psychotherapeuten und die Diagnoseerstellung durch klinische Psychologen - und somit die ärztliche Hilfe gemäß § 135 Abs 1 ASVG nicht nur durch Vertragsärzte, Wahlärzte oder Ärzte in eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) der Versicherungsträger gewährt wird und unter den dort aufgezeigten Alternativen der Versicherte frei wählen kann (vgl 10 ObS 57/03k. SSV-NF 6/41, 6/59) - somit die Wahlfreiheit auch für psychotherapeutische Behandlungen gilt (vgl 10 ObS 57/03k; Schrammel, Psychotherapie und Soziale Krankenversicherung – Rechtsgutachten über Kostenzuschüsse zu psychotherapeutischen Leistungen, SozSi 2001, 351 [355]) -, hat auch der Versicherte unter den im § 159 ASVG aufgezeigten Alternativen freie Wahl. So aber wie "Wahlärzte" und "Wahltherapeuten" 'Vertragsärzte" und ''Vertragstherapeuten'' voraussetzen, bedarf es für die Inanspruchnahme einer "Wahlhebamme" des Vorhandenseins von Vertragshebammen, da ansonsten zB im vertragslosen Zustand oder im Fall nicht ausreichender Versorgung mit Vertragshebammen die Leistungen nur durch "Privathebammen" erbracht werden können. Wie bereits ausgeführt, wird die österreichische soziale Krankenversicherung vom Sachleistungsprinzip beherrscht. Der Versicherte soll daher nicht bloß die Kosten ersetzt bekommen, welche seine Behandlung verursacht. Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung haben vielmehr ein Leistungssystem zu organisieren, das dem Versicherten die Inanspruchnahme medizinischer Hilfe - somit aber auch die Leistungen im Rahmen des Versicherungsfalls der Mutterschaft ohne Vorauszahlung ermöglicht. Um der gesetzlichen Sachleistungspflicht nachkommen zu können, steht dem Versicherungsträger in erster Linie der privatrechtliche Vertrag zur Verfügung. Gemäß § 338 Abs 1 ASVG werden nämlich die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung (des Hauptverbandes) zu den freiberuflich tätigen Ärzten, aber auch zu Dentisten, Hebammen, Apothekern, freiberuflich tätigen klinischen Psychologen, freiberuflich tätigen Psychotherapeuten, Pflegepersonen, die medizinische Hauskrankenpflege erbringen, und "anderen Vertragspartnern" durch privatrechtliche Verträge geregelt. Während für Ärzte, Apotheker und Dentisten die Beziehungen durch Gesamtverträge zu regeln sind und für die klinischen Psychologen und Psychotherapeuten mangels Vorhandenseins eines Gesamtvertrages der Abschluss von Einzelverträgen nach einheitlichen Grundsätzen vom Hauptverband abgeschlossen werden können, gilt für die Berufsgruppe der Hebammen die im § 349 Abs 3 ASVG getroffene Regelung, wonach die Beziehungen zwischen dieser und den SV-Trägern durch Gesamtverträge geregelt werden können, aber nicht müssen. Bei diesen "sonstigen" Leistungserbringern iSd § 349 Abs 3 ASVG können daher entweder "kollektive" Gesamtverträge zwischen dem Hauptverband und der gesetzlichen beruflichen Vertretung der leistungserbringer - mit oder ohne nachfolgendem Einzelvertrag - oder nur Einzelverträge zwischen den KV-Trägern und den jeweiligen Leistungserbringern abgeschlossen werden. Inwieweit demzufolge eine gesetzliche Sachleistungspflicht für Hebammenleistungen in Frage gestellt wird, bedarf hier keiner näheren Erörterung, weil unabhängig davon den Trägern der Krankenversicherung keine Verantwortlichkeit für vertragslose Zustände aufgebürdet wird, auch wenn die Absicht des Gesetzgebers erkennen lässt, dass der Sachleistungsvorsorge Priorität vor dem vertragslosen Zustand zukommt. Damit ist aber auch dem Argument der Klägerin mit der eingeschränkten Wahlmöglichkeit der Boden entzogen und liegt der - im Übrigen pauschal geltend gemachte - sekundäre Feststellungsmangel - Vorwurf einer unzureichenden Bemühung um einen Vertragsabschluss mit einer ausreichenden Anzahl von Hebammen - nicht vor, weil - wie noch zu 4) auszuführen sein wird - diese Frage für den allein zu entscheidenden sozialversicherungsrechtlichen Anspruch nicht von Bedeutung ist. Im Übrigen macht die Klägerin mit ihrer Argumentation in Wahrheit keine Verletzung der Wahlfreiheit geltend. Unter Wahlfreiheit wird nämlich - wie schon oben ausgeführt - verstanden, dass dem Versicherten seitens der Träger der Krankenversicherungen die Möglichkeit eingeräumt wird, neben den angebotenen Sachleistungen durch deren Vertragseinrichtungen und Vertragspartnern Einrichtungen (Krankenanstalten, Ambulatorien, Tageskliniken) und Ärzte, mit denen keine vertragliche Regelung iSd § 341 ASVG getroffen wurde, nach freier Wahl mit der Folge der Kostenersatzregelung nach § 131 (~ 131 ASVG) in Anspruch zu nehmen. Ein solcher Verstoß liegt hier nicht vor, weil die Beklagte weder die freie Arztwahl noch die freie Hebammenwahl eingeschränkt hat. Da zwischen den Parteien unstrittig ist, dass zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und dem österreichischem Hebammengremium ein Hebammengesamtvertrag mit entsprechender tariflicher Regelung abgeschlossen worden ist, berührt die unter dem Verstoß der Wahlfreiheit von der Klägerin geführte Argumentation vielmehr die Frage, ob eine flächendeckende Versorgung an erforderlichen Hebammenleistungen durch den Abschluss einer entsprechenden Anzahl an Einzelverträgen mit in Vorarlberg ansässig tätigen Hebammen gesichert ist und ob verneinendenfalls welche Auswirkungen dies auf das Ausmaß des Kostenersatzanspruches für den Versicherten hat. Für die Höhe des von der beklagten Partei zu ersetzenden Kostenbetrages ist es im Ergebnis jedoch ohne Bedeutung, ob die Kostenerstattung auf Grundlage der Regelung für die Inanspruchnahme einer Wahlhebamme gemäß § 131 ASVG erfolgt oder die im § 131 b ASVG vorgesehene Erstattungsregelung anzuwenden ist, weil auch im letzteren Fall nach der eigenen Behauptung der Klägerin ein höherer Kostenzuschuss als 80 % der im Gesamtvertrag geregelten tariflichen leistung in der Satzung der Beklagten nicht vorgesehen ist.
Zu 2) Nicht zielführend ist hier der Hinweis der Klägerin, es liege ein Anwendungsfall des § 131 Abs 3 ASVG vor, wonach deshalb die Klägerin Anspruch auf Ersatz der ihr tatsächlich erwachsenen Kosten habe. Unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob die Klägerin nicht eine angebotene Sachleistung in Form einer ärztlichen Hilfe - mit der Neuformulierung des § 117 Z 4 Iit a durch die 29. ASVG-Novelle sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass auch in Fällen einer Hausentbindung dem ärztlichen Beistand der Vorrang zukommt (sBR zur 29. Nov) - hat nämlich der Krankenversicherer die tatsächlich entstandenen Kosten nicht in voller Höhe, sondern nur nach der in der Satzung festgesetzten Höhe zu ersetzen.
Dass die Satzung einen höheren Kostenerstattungsbetrag als in Höhe von 80 % der
Kosten, die dem Krankenversicherungsträger bei der Konsultierung einer Vertragshebamme entstanden wären, vorsieht, wird von der Klägerin gar nicht behauptet und geltend gemacht; dies träfe im Übrigen auch nicht zu.
Zu 3) Mit der Behauptung der mangelnden und nicht ausreichenden Umsetzung des Gesamtvertrages (Stellenplanes) und des Fehlens einer ausreichenden Anzahl an vertraglich gebundenen Hebammen und der dadurch bedingten Kostenerstattung nach § 131 a ASVG wird in Wahrheit mit dem Argument, die Beklagte hätte nach dieser Bestimmung die Kostenerstattung durch die Satzung erhöhen müssen, in Wahrheit ein Schadenersatz bzw Amtshaftungsanspruch geltend gemacht. In den §§ 131 a und 131 b ASVG sind für den Fall des Fehlens vertraglicher Regelungen mit Ärzten (Dentisten) oder mit den Gruppenpraxen (§ 131 a ASVG) bzw anderen Vertragspartnern (§ 131 b ASVG) Sonderregelungen über die Festsetzung der Höhe der Kostenerstattung vorgesehen. So hat der Krankenversicherungsträger bei Fehlen vertraglicher Regelungen mit Ärzten (Gesundheitseinrichtungen) dem Versicherten gemäß 9 131 a ASVG für die außerhalb seiner eigenen Einrichtung in Anspruch genommene Behandlung Kostenerstattung in Höhe jenes Betrages zu gewähren, der vor Eintritt des vertragslosen Zustands bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes zu leisten gewesen wäre.
Während die §§ 131 und 131 a ASVG bestehende oder früher bestandene Vertragstarife voraussetzen, soll § 131 b ASVG dort Anwendung finden, wo mit einer Berufsgruppe noch überhaupt keine Verträge existieren bzw existierten.
Auch im bejahenden Anwendungsfall des § 131 a ASVG wären der Klägerin nur 80 % der tariflichen leistung für Vertragshebammen zu ersetzen, da die Klägerin selbst davon ausgeht, dass eine mögliche satzungsmäßige Erhöhung dieses Kostenerstattungsanspruchs nicht erfolgt ist. Wird der vorliegende Sachverhalt wegen Fehlens ausreichender vertraglicher Regelungen mit im Nahbereich des Wohnortes der Klägerin ansässigen Hebammen, die eine Hausbetreuung durchführen, auch dem Anwendungsfall des § 131 b ASVG subsumiert, wäre für die Klägerin ebenfalls nichts gewonnen. § 131 b ASVG betreffend Kostenzuschüsse bei Fehlen vertraglicher Regelungen gilt nämlich dann, wenn andere Vertragspartner infolge Fehlens von Verträgen nicht zur Verfügung stehen, § 131 a ASVG mit der Maßgabe, dass in jenen Fällen, in denen noch keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestehen, der Versicherungsträger dem Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten hat. Hinsichtlich deren Höhe hat der Gesetzgeber keine Festlegung getroffen, sondern es der Verantwortung der Versicherungsträger überlassen, die entsprechende Höhe des Kostenzuschusses satzungsgemäß festzulegen (vgl SSV-NF 12/104 mwN), wobei diese Regelung vom Verfassungsgerichtshof als ausreichend determiniert erachtet wurde (VfSlg 15.787; 13.133).
“Wird ein Anwendungsfall des 9” 131 b ASVG bejaht, dem von der Rechtsprechung der dort geregelte Fall leichgehalten wird, wenn der Krankenversicherungsträger die angebotene Leistung im konkreten Fall aufgrund in der Sphäre der Vertragspartner liegender Umstände nicht in der Lage ist, dem Versicherten die notwendigen Sachleistungen durch Vertragspartner zur Verfügung zu stellen (vgl 10 ObS 68/04d), dann wäre der Kostenerstattungsanspruch wegen der anzuwendenden Kostenregelung des § 131 a ASVG zufolge Bestehens einer tariflichen Regelung wiederum mit 80 % hievon limitiert.
Zu 4) Abgesehen davon, dass die Klägerin im Verfahren erster Instanz einen konkreten Schadenersatzanspruch nicht geltend gemacht hat und allein aus der Tatsache der nicht zur Verfügung stehenden ausreichenden Anzahl an Vertragshebammen ein solcher auch nicht abgeleitet werden könnte - eine schikanöse oder unsachliche Vorgehensweise der Beklagten wird nicht behauptet -, fallen derartige Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte nicht in die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes (vgl 10 ObS 25/04f = SSV-NF 18/22; 10 ObS 121/08d), da Gegenstand des Rechtsstreits nur eine Leistungssache nach § 64 Abs 1 Z 1 ASVG ist.
Zu 5) Auch der Hinweis auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit mit dem Argument, dass Hausgeburten bei Betreuung auch durch frei praktizierende Hebammen wesentlich billiger seien, als eine Entbindung in einer Vertragseinrichtung (Krankenhaus), kann aus den oben angeführten Gründen einen Leistungsanspruch der Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch in voller Höhe der tatsächlich bezahlten Kosten nach der bestehenden Gesetzeslage nicht begründen.
Zu 6) Mit ihren dazu ergangenen Ausführungen vermag die Klägerin einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz der im § 159 ASVG getroffenen Kostenersatzregelung nicht aufzuzeigen. Wenn der Gesetzgeber den Versicherungsfall der Mutterschaft hinsichtlich der Sachleistung und der Kostenerstattung gleich regelt wie für die ärztliche Hilfeleistung, dann ist eine derartige Regelung durchaus sachlich gerechtfertigt und ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht zu ersehen. Es kann auch nicht von einer zu berücksichtigenden "Unverhältnismäßigkeit" einer Regelung (vgl Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreich ischen Bundesverfassungsrechts 10 Rz 1359 f mwN) gesprochen werden, weil die Klägerin 80 % der Tarifleistung rückerstattet erhielt und dieser Betrag immerhin ca 55 % der tatsächlich angefallenen Kosten abdeckt. Für einen Gesetzesprüfungsantrag gemäß Artikel 89 Abs 2 B-VG (Artikel 140 Abs 1 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof bestand daher kein Anlass.
Aus all diesen Gründen erweist sich daher die Berufung der Klägerin als nicht berechtigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Ein Kostenzuspruch nach dieser Gesetzesstelle konnte schon deshalb nicht stattfinden, weil der Klägerin die Verfahrenshilfe bewilligt wurde und im Rechtsmittelverfahren im Obrigen auch keine wesentlichen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten hervorgekommen sind (RIS-Justiz RS005829; 10 ObS 5/07d ua).
Im Hinblick auf die klare gesetzliche Regelung ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd S 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision nicht zulässig.
Oberlandesgericht Innsbruck in Arbeits- und Sozialrechtssachen,
Abt. 5, am 24. Februar 2009.
Dr. Rudolf Voigt
Für die Richtigkeit der Ausfertigung der Leiter der Geschäftsabteilung
5. Außerordentliche Revision an den OGH
Die Klägerin erhebt durch ihren ausgewiesenen Verfahrenshelfer gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck, dem Verfahrenshelfer zugestellt am 12.03.2009, GZ: 25 Rs 119/08y (33 Cgs 108!08x, LG Feldkirch), innerhalb offener Frist nachstehende
AUSSERORDENTLICHE REVISION
an den Obersten Geriehtshot. Das Urteil wird in seinem gesamten klagsabweisenden Teil angefochten.
Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision:
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat im Hinblick auf die seiner Ansicht nach klare gesetzliche Regelung mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 1 ZPO die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes eine Revision an den Obersten Gerichtshof zulässig ist:
1.
Die Entscheidung hängt nach dem Dafürhalten der Klägerin von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts ab, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, und das weit über den gegenständliehen Anlassfall hinaus für alle werdenden Mütter, die eine Hausgeburt vornehmen wollen. Dies insbesondere deshalb weil nach Ansicht der Klägerin eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur gegenständliehen Rechtsfrage fehlt.
Es liegt nach Ansicht der Klägerin der Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck eine nicht vertretbare Rechtsansicht zu Grunde, welche als erhebliche Rechtsfrage die Überprüfung der Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof rechtfertigt.
2.
Das Berufungsgericht ist nach dem Dafürhalten der Klägerin auf ihre rechtlichen Bedenken gegen die Entscheidung des Erstgerichts bzw. auf ihre Argumente inhaltlich nicht ausreichend eingegangen.
3.
Insbesondere hat das Berufungsgericht trotz entsprechenden Antrages der Klägerin keinen Gesetzesprüfungsantrag gemäß Art. 89 B-VG an den Verfassungsgerichtshof gestellt. Die Klägerin ist weiterhin der Ansieht, dass der Gleichheitsgrundsatz verletzt ist, da an wesentlich unterschiedliche Tatbestände dieselben Rechtsfolgen geknüpft werden. Eine sachliche Rechtfertigung ist nicht gegeben. Weshalb die Regelung sachlich gerechtfertigt sein soll, hat auch das Berufungsgericht nicht näher ausgeführt.
4.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass die Beklagte weder die freie Arztwahl noeh die freie Hebammenwahl eingeschränkt hat. Formal mag dies richtig sein. De faeto heißt dies aber tür sämtliche werdenden Mütter in Vorarlberg, die nicht im Kleinwalsertal, im hinteren Montafon oder in der Umgebung von Bürs wohnen, dass diese bei Inanspruehnahme einer Hausgeburt mit Kosten belastet werden, die andere werdende Mütter nieht zu tragen haben. Weiters heißt dies, dass sämtliehen werdenden Müttern, die diesen finanziellen Aufwand nieht tragen können, schlussendlieh eine Hausgeburt verwehrt wird. Insofern ist die Wahlfreiheit in concreto tatsächlich massiv eingeschränkt.
Aus alledem ergibt sich, dass eine Revision an den Obersten Gerichtshof zulässig ist.
Ausführung der außerordentlichen Revision:
Geltend gemacht wird der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.
1.
Die Hausgeburt gilt einhellig als gesetzlich und als medizinisch anerkannte Methode der Geburt.
Gemäß § 338 Abs. 2 ASVG ist durch Verträge naeh Abs. 1 leg. cit. die ausreichende Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsbereehtigten Angehörigen mit den gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen sicherzustellen. Dementsprechend wurde zwischen dem österreichischen Hebammengremium und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger ein Hebammengesamtvertrag abgeschlossen.
Allein durch den Abschluss eines solchen Gesamtvertrages ist jedoch die ausreichende, insbesondere die flächendeckende Versorgung der Versicherten nicht sichergestellt. Die Beklagte gesteht in ihrer Klagebeantwortung unumwunden zu, dass eine flächendeckende Versorgung im Bereich Hebammen nicht gegeben ist, sie aber bemüht sei, hier Abhilfe zu schaffen. Entsprechende Feststellungen des Erstgerichtes diesbezüglich fehlen allerdings. Es ist gegenständlich aber auch nicht ersiehtlich, inwiefern und in welchem Ausmaß die Beklagte sieh tatsächlich konkret um eine flächendeckende Versorgung bzw. um den Abschluss von Einzelverträgen in ausreichender Anzahl bemüht haben soll. Offensichtlich führte sie jedenfalls keine Ausschreibungsverfahren durch, da sie ohnedies von mangelnden Interessentinnen ausgeht. Konkrete Maßnahmen zur Sieherstellung der ausreiehenden Sicherstellung hat die Beklagte zudem nicht einmal behauptet.
Fakt ist, dass von den 11 vorgesehenen VertragshebammensteIlen lediglich 5 besetzt sind. Hausgeburten werden aber nur von drei dieser Vertragshebammen angeboten, wobei diese in Riezlern, St. Gallenkirch bzw. Bürs, sohin allesamt relativ weit vom Wohnort der Klägerin entfernt, und in eher entlegenen Orten ansässig sind.
Wenn nun schon ein Gesamtvertrag abgeschlossen wird, so wäre dieser aber von der Beklagten auch entsprechend durch den Abschluss von Einzelverträgen umzusetzen. Das Erstgerieht hat hinsichtlich allfälliger Bemühungen der Beklagten jedenfalls keinerlei Feststellungen getroffen, so dass wohl (insbesondere auch mangels konkreter Behauptungen durch die Beklagte selbst - sie erwähnt nur, welche Maßnahmen ihrer Ansieht nach nicht sinnvoll sind!) davon ausgegangen werden kann, dass auch keinerlei ausreichende Bemühungen erfolgt sind.
Es bedarf wohl keiner näheren Erläuterung, dass für eine Hausgeburt die Hebamme im räumlichen Nahbereich der werdenden Mutter ansässig sein sollte, damit die ordnungsgemäße und zeitnahe Versorgung der Gebärenden gewährleistet ist.
Allein dureh die Tatsache, dass die Beklagte im räumlichen Nahbereich der Klägerin keine Vertragshebamme "anbieten" konnte, war die Klägerin gezwungen, eine räumlich im Nahbereieh ansässige Hebamme (nämlich Silvia Gsteu aus Feldkirch) ohne Kassenvertrag zu beauftragen.
Bliebe die Klägerin nun tatsächlich auf dem nicht zugesprochenen Restbetrag von € 586,74 (restliche Kosten) sitzen, so hieße dies, dass de facto keinerlei Wahl möglichkeit für die Klägerin bzw. für werdende Mütter bestünde. Hausgeburten würden so für werdende Mütter, die nicht im Kleinwalsertal, im hinteren Montafon oder in der Umgebung von Bürs wohnen, mit erheblichen Kosten belastet. Solche Kosten würden aber nicht entstehen, wenn die Beklagte eine ausreichende und flächendeckende Versorgung durch Vertragshebammen gewährleisten würde. Es ist davon auszugehen, dass viele werdende Mütter nicht in der Lage sind, derartige Kosten selbst zu übernehmen. Hausgeburten wären so wohl für den Großteil der Gebärenden von vornherein auszuschließen, obwohl solche Geburten vielfältigste hinreichend bekannte Vorteile bringen. Auch aus medizinischer Sicht spricht (von Einzelnen im Vorhinein erkennbaren Komplikationen abgesehen) nichts gegen Hausgeburten.
Es kann sohin nicht angehen, dass die Klägerin Kosten von € 586,74 tragen soll, nur weil die Beklagte entgegen § 338 Abs. 2 ASVG keine ausreichende Versorgung sicherstellt.
2.
Gemäß § 131 Abs. 3 ASVG kann der Versicherte bei im Inland eingetretenen Unfällen, plötzliehen Erkrankungen und ähnlichen Ereignissen den nächsterreiehbaren Arzt, etc., in Anspruch nehmen, falls ein Vertragsarzt, etc., nicht rechtzeitig die notwendige Hilfe leisten kann. Der Versicherungsträger hat in solchen Fällen für die dem Versieherten tatsäehlieh erwaehsenen Kosten den in der Satzung festgesetzten Ersatz zu leisten.
Der Zeitpunkt einer Geburt lässt sich im Vorhinein nieht vorhersagen. Die Vertragshebammen, welche Hausgeburten anbieten, sind weit vom Wohnort der Klägerin entfernt ansässig. Hausgeburten werden grundsätzlieh (wenn auch nicht flächendeckend) von der Beklagten durch Vertragshebammen angeboten. Eine jede werdende Mutter muss daher die Wahlmöglichkeit haben, sich auch tatsäehlich für eine Hausgeburt zu entscheiden.
Auf Grund der räumlichen Distanz der Hausgeburten anbietenden Vertragshebammen zum Wohnort der Klägerin bei der im Inland eingetretenen Geburt im Sinne eines ähnliehen Ereignisses naeh § 131 Abs. 3 ASVG, war die Beklagte nicht in der Lage durch Vertragshebammen rechtzeitig die notwendige Hilfe zu leisten. Die Klägerin hat daher gemäß § 131 Abs. 3 ASVG Anspruch auf Ersatz der ihr tatsächlich erwaehsenen Kosten.
3.
Die Beklagte hätte die Möglichkeit und nach Ansicht der Klägerin die Verpflichtung nach § 131 a ASVG die Kostenerstattung durch die Satzung zu erhöhen - zumindest jedenfalls solange ein flächendeckendes Angebot fehlt. Von dieser Mögliehkeit hat die Beklagte aber keinen Gebrauch gemacht, obwohl ihr - so ist zumindest die Klagebeantwortung zu verstehen - die Problematik schon seit längerer Zeit bekannt ist. Zwar sprieht § 131 a ASVG davon, dass Vertragsärzte, etc. infolge Fehlens einer Regelung durch Verträge (§ 338 ASVG) nieht zur Verfügung stehen. Dem ist aber der gegenständliche Fall gleich zu halten, wonach zwar eine Regelung durch einen Vertrag gegeben ist, dieser Vertrag aber von der Beklagten nicht ausreichend umgesetzt ist bzw. dieser Vertrag gegen die Bestimmung des § 338 Abs. 2 ASVG verstößt.
4.
Die Verpflichtung der Beklagten zum vollständigen Kostenersatz ergibt sich auch aus dem Schadenersatzrecht. Die Beklagte hat sich nicht ausreichend bemüht jedenfalls sind keine Bemühungen der Beklagten im Ersturteil festgestellt), eine ausreichende Anzahl an Vertragshebammen zur Verfügung zu stellen und eine ausreichende und flächendeckende Versorgung der Versicherten sicherzustellen.
Der Klägerin ist durch dieses rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der Beklagten ein kausaler Sehaden in Höhe von € 586,74 entstanden, der von der Beklagten zu ersetzen ist.
5.
Für die Beklagte gilt der verfassungsrechtliche Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Hausgeburten sind, selbst wenn diese nach den Tarifen der privaten Wahlhebammen abgerechnet werden, um vieles billiger als Entbindungen in den Krankenhäusern. Insofern müsste ein vitales Interesse der Beklagten bestehen, die Anzahl der Hausgeburten zu erhöhen. Voraussetzung hierfür ist allerdings entweder die Zurverfügungstellung einer ausreichenden und flächendeckenden Anzahl von Vertragshebammen bzw. wenn dies nicht möglich ist, die Übernahme der Kosten der Wahlhebammen und zwar im vollen Ausmaß und nicht entsprechend jenen des Hebammenvertrages bzw. sogar nur im Ausmaß von 80% hiervon wie gegenständlich.
Im Hinblick auf die allgemein bekannte Tatsache, dass die finanzielle Situation der Gebietskrankenkassen als durchaus angespannt bezeichnet werden kann, wiegt dieser Verstoß der Beklagten gegen den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtsehaftliehkeit naeh Ansicht der Klägerin und wohl auch der Allgemeinheit schwer.
Es wäre für die Beklagte ein Leichtes, sieh erhebliche Kosten zu sparen, wenn die Anzahl der Hausgeburten vermehrt werden könnte. Die Beklagte spart sich in concreto selbst dann erhebliche Kosten, wenn sie der Klägerin die ihr entstandenen Kosten der Wahlhebamme im Gesamtausmaß von € 1.202,68 in vollem Umfang ersetzt.
Auch aus diesem Grunde wäre der Klage daher vollumfänglich stattzugeben gewesen.
6.
Da eine komplikationslose Schwangerschaft und Geburt keinen regelwidrigen Körperzustand bilden, wurde für sie ein eigener Versicherungsfall der Mutterschaft geschaffen. Weder Schwangerschaft noch Geburt stellen eine Krankheit dar.
Dennoch macht der Gesetzgeber nichts anderes als dass er auf die Bestimmungen der Krankheit verweist (§ 159 ASVG), insbesondere was den Kostenersatz betrifft auf § 131 ASVG.
Dieser Verweis auf die Bestimmungen der Krankheit ist nach Ansicht der Klägerin infolge Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und des Grundsatzes der freien Hebammenwahl verfassungswidrig. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Gleichheitssatz sind an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen. Wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich müssen zu entsprechenden unterschiedlichen Regelungen führen.
Der Gesetzgeber hat erkannt, dass Schwangerschaft und Geburt keine Krankheit sind und hat dementsprechend sogar einen eigenen Versicherungsfall geschaffen. Ohne dass diesbezüglich eine sachliche Rechtfertigung bestünde, erklärt er aber, dass ärztlicher Beistand, Hebammenbeistand und Beistand durch diplomierte Kinderkranken- und Säuglingsschwestern in entsprechender Anwendung der §§ 134 und 135 gewährt wird. Außerdem gebühre Kostenersatz gemäß § 131, wenn die Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner oder eigenen Einrichtungen des Versicherungsträgers in Anspruch genommen hat. In Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes knüpft der Gesetzgeber gegenständlieh an wesentlieh unterschiedliehe Tatbestände dieselben Reehtsfolgen.
Die Klägerin regt daher höflich an, der Oberste Gerichtshof möge auf Grund von Bedenken gegen die Anwendung des § 159 ASVG - jedenfalls zumindest was die Hausgeburten betrifft - aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit gemäß Art. 89 B. VG den Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmung beim Verfassungsgerichtshof stellen.
Gerade wenn die Sozialversicherungsträger nicht in der Lage sind, eine ausreichende flächendeckende Versorgung zu gewährleisten und wenn Hausgeburten deutlich billiger sind als Geburten in Krankenhäusern, grenzt es zudem beinahe sehon an Willkür, wenn die Klägerin (und wohl auch andere Mütter) die Kosten ihrer Hebamme zu einem erheb liehen Teil selbst zu tragen haben.
Durch den pauschalen Verweis auf die Bestimmungen des Krankheitsfalles werden Mütter, die ihre Kinder im Rahmen einer Hausgeburt zur Welt bringen gegenüber jenen, die ihre Kinder im Spital gebären, unsachlich benachteiligt. Sie haben Kosten zu tragen, die die im Krankenhaus Gebärenden nicht selbst übernehmen müssen. Außerdem wird auf diese Weise die Wahlfreiheit (Wahl zwischen Hausgeburt und Geburt im Spital) in unzulässiger und unsachlicher Weise beschränkt, zumal auch auf die finanziellen Verhältnisse und wirtschaftliehen Bedürfnisse des Versicherten keinerlei Rüeksieht genommen wird. Finanziell nicht gut situierten werdenden Müttern wird dadureh von vornherein die Möglichkeit genommen, eine Hausgeburt durchzuführen.
Auch im Sinne der Vorgaben des Grundsatzes der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit scheint der Verweis des § 159 ASVG verfassungswidrig. Sie hierzu Punkt 5.
Es wird somit an den Obersten Gerichtshof als Revisionsgericht gestellt der
ANTRAG
1.
die Revision als zulässig erachten;
2.
der Revision Folge zu geben und
a) das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass der Klage kostenpflichtig vollinhaltlich stattgegeben wird;
b) in eventu: das angefochtene Urteil im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entseheidung an das Berufungsgericht oder das Erstgerieht zurüekzuverweisen;
c) die Beklagte zum Ersatz der gesamten Verfahrens kosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution gemäß § 19a RAO zu Handen des Klagsvertreters zu verpflichten.
Republik Österreich
Oberster Gerichtshof
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Honorarprofessor Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Mag. Michaela Haydter (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. Juliane Alton, 6850 Dornbirn, vertreten durch Mag. Christian Steurer, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei Vorarlberger Gebietskrankenkasse, 6850 Dornbirn, wegen Kostenerstattung (586,74 EUR), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berifungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Februar 2009 GZ 25 Rs 119/08y-18 in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508 Abs 2 ZPO mangels Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
B e g r ü n d u n g :
Die in Dornbirn wohnhafte Klägerin wählte für die bevorstehende Geburt ihrer dritten Tochter die Hausentbindung. Sie nahm eine ein Feldkirch ansässige Hebamme zur Betreuung ihrer Hausgeburt in Anspruch. Die Hebamme verrechnete für ihre Leistungen 1.202,68 EUR. Nach Begleichung dieser Rechnung durch die Klägerin hat die beklagte Vorarlberger Gebietskrankenkasse einen Betrag von 615,94 EUR erstattet.
Die beklagte Partei hat Verträge mit Hebammen, die in Hard, Ludesch, Bürs, St. Gallenkirch und Riezlern wohnen. Nächstgelegen zum Wohnort der Klägerin wäre eine in Hard ansässige Hebamme, die jedoch keine Hausgeburtbetreuung anbietet. Hausgeburtbetreuung wird ausschließlich von den in Riezlern (im Kleinen Walsertal), in St. Gallenkirch (im hinteren Montafon) und in Bürs ansässigen Hebammen angeboten.
Das Erstgericht wies das Erstattung auch des Betrags von 586,74 EUR gerichtete Begehren der Klägerin ab. Gemäß § 159 ASVG iVm § 131 Abs 1 ASVG gebühre der Klägerin für die von einer „Nicht-Vertragshebamme“ erbrachten Leistungen Erstattung in Höhe von 80% jenes Betrags, der bei Inanspruchnahme eines Vertragspartners von der beklagten Partei aufzuwenden gewesen wäre, im konkreten Fall 615,94 EUR. Eine Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten gebe es in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Überdies würde ein voller Kostenersatz für eine Hausgeburt bei Inanspruchnahme einer Nicht-Vertragshebamme zu einer nicht gerechtfertigten Bevorzugung gegenüber anderen Versicherten führen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und ließ die Revision im Hinblick auf die klare Gesetzeslage nicht zu.
Während Beziehungen Sozialversicherungsträger zu Ärzten, Apothekern und Dentisten zwingend durch Gesamtverträge zu regeln seien, gelte für die Berufsgruppe der Hebammen die in § 349 Abs 3 ASVG enthaltene Kann-Bestimmung. Damit werde den
Krankenversicherungsträgern keine Verantwortlichkeit für etwaige vertragslose Zustände aufgebürdet. Eine Kostenerstattung, die über 80 % der in dem von der beklagten Partei abgeschlossenen Gesamtvertrag geregelten tariflichen Leistungen hinausgehe, sei weder gesetzlich noch in der Satzung der beklagten Partei vorgesehen. Auch der Hinweis auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit könne einen Kostenerstattungsapspruch in voller Höhe der tatsächlich bezahlten Kosten nicht begründen.
Mit der Behauptung der mangelnden und nicht ausreichenden Umsetzung des Gesamtvertrags (Stellenplans) und des Fehlens einer ausreichenden Anzahl an vertraglich gebundenen Hebammen werde in Wahrheit ein Schadenersatz- bzw. Amtshaftungsanspruch geltend gemacht, der nicht in die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichts falle.
Wenn der Gesetzgeber den Versicherungsfall der Mutterschaft hinsichtlich der Sachleistung und der Kostenerstattung gleich regle wie den Versicherungsfall der Krankheit, dann sei dies durchaus sachlich gerechtfertigt.
In ihrer außerordentlichen Revision führt die Klägerin zusammengefasst aus, dass ihr schlussendlich eine Hausgeburt verwehrt und ihre Wahlfreiheit (für eine Hausgeburt) massiv eingeschränkt werde, weil die beklagte Partei einerseits keine ausreichende und flächendeckende Versorgung durch Vertragshebammen gewährleiste und der Kostenerstattung nicht (in ihrer Angesichts des Umstands, dass Hausgeburten billiger seien als Geburten in Krankenhäusern, grenze das Verhalten der beklagten Partei nahezu an Willkür, vor allem bei finanziell schlechter gestellten Müttern. Durch das rechtswidirge und schuldhafte Verhalten habe die beklagte Partei den Betrag von 586,74 EUR auch aus dem Titel des Schadenersatzes zu ersetzen. Im Übrigen sei es sachlich nicht gerechtfertigt, die Versicherungsfälle der Krankheit und der Mutterschaft hinsichtlich der Rechtsfolgen gleich zu behandeln, weshalb ein Gesetzesprüfungsantrag hinsichtlichg 159 ASVG angeregt werde.
Damit wird aber keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.
1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass ein grenzüberschreitender (gemeinschaftlich relevanter) Bezug im vorliegenden Fall nicht gegeben ist.
2. Warum die auf §§ 134, 135 und § 131 ASVG verweisende Regelung des § 159 ASVG sachlich ungerechtfertigt sein soll ist nicht erkennbar. Der Grund dafür, dass das ASVG einen eigenen Versicherungsfall der Mutterschaft kennt, liegt allein darin, dass es sich bei Schwangerschaft und Entbindung bei normalem Verlauf nicht um eine Krankheit handelt (anstatt vieler Grillberger, Österreichisches Sozialtrecht [2008] 43).
Der Oberste Gerichtshof sieht keinen Anlass zu einem Gesetzesprüfungsantrag.
3. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers beruht die österreichische soziale Krankenversicherung auf dem Sachleistungsprinzip (§ 133 Abs 2 Satz 3 ASVG Selb/Schrammel in Tomandl, SV -System [15. ErgLfg] 569 [5.3.1.2.]). Dabei verschafft der Sozialversicherungsträger dem Versicherten die Heilbehandlung über eigene Einrichtungen oder über seine Vertragspartner gegen direkte Verrechnung der Kosten mit dem Vertragspartner . Der Anspruchsberechtigte hat aber auch die Möglichkeit, die Leistung eines von ihm gewählten Arztes oder sonstigen Leistungserbringers in Anspruch zu nehmen, der mit dem Krankenversicherungsträger keine Vertragsbeziehungen unterhält. In diesem Fall ist die Leistung vorerst privat zu bezahlen; seit dem Inkrafttreten des SRÄG 1996, BGBI 1996/411 besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung im Ausmaß von (nur mehr) 80 % derjenigen Kosten, die dem Krankenversicherungsträger bei der Konsultierung eines Vertragsarztes entstanden wären (§ 131 Abs 1 ASVG). Mit Erkenntnis vom 18. 3. 2000, G 24/98 ua, hat der VfGH die Verfassungsmäßigkeit der „8Q%-Prozent-Regelung" bejaht (SozSi 2000, 738; dazu etwa Kletter, Das VfGH-Erkenntnis
zur Kostenerstattung, SozSi 2000, 704, und Karl, Die Auswirkungen des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs auf die Kostenerstattung, DRdA 2002, 15). Höhere Erstattungssätze kann die Satzung für den Fall eines vertragslosen Zustands vorsehen (9 131 Abs 6 ASVG), was aber hier nicht der Fall ist.
Die Klägerin leitet einen Anspruch auf volle Kostenerstattung aus ihrer Wahlfreiheit zugunsten einer Hausgeburt und aus dem Umstand ab, dass sich die beklagte Partei nicht ausreichend um eine entsprechende Sachleistungsvorsorge gekümmert habe. Dieser Schluss kann jedoch aus dem Krankenversicherungsrecht nicht gezogen werden. Dieses geht von einer freien Wahl des Leistungserbringers, nicht aber von einer freien Methoden- oder Therapiewahl aus (10 ObS 382/98v = SSV-NF 13/65 = RIS-Justiz RS0084811 [T3] zu Alternativmethoden). Wenn ein ganz bestimmter Leistungserbringer (etwa ein solcher, der zu einer besonderen Leistung bereit ist) in Anspruch genommen wird, der in keinem Vertragsverhältnis zum Krankenversicherungsträger steht, kommt es daher nicht zu einem Anspruch auf Erstattung der vollen Kosten zu Marktpreisen (vgl 10 ObS 53/04y).
4. Da Gegenstand des Rechtsstreits nur eine Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 1 ASVG ist, kann ein Schadenersatz oder Amtshanftunganspruch im nunmehrigen Verfahren nicht geltend gemacht werden (zuletzt 10 ObS 121/08d mwN).
5. Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Oberster Gerichtshof,
Wien, am 12. Mai 2009. Dr. S c hi n k o
Für die Richtigkeit der Ausfertigung
die Leiterin der Geschäftsabteilung: Neubauer
Die Medien haben die Auseinandersetzung mit verfolgt und berichtet:
http://vbgv1.orf.at/stories/380731
http://vbgv1.orf.at/stories/299749
http://www.vol.at/schwere-geburt-durch-drei-gerichtsinstanzen/news-20090806-08364053
http://epaper.derstandarddigital.at/data_ep/STAN/2008/20080804/articlejpg/8760DDCF-90E1-4F1E-9170-12420F414F23/95C234E7-5318-4A5A-8DD1-CB93506674E4.png Artikel. J.Berger
http://derstandard.at/1216918435023 Kommentar Rohrhofer
Leserbrief zum Kommentar von Markus Rohrhofer
LESERSTIMMEN
Ja zur sanften Geburt
Betrifft: "Risiko Geburt" von Markus Rohrhofer der Standard, 4. 8. 2008
Schwangerschaft und Geburt sind physiologische Prozesse und bedürfen primär keiner medizinischen Hilfe. Und Frauen mit Risiko planen keine Hausgeburt. Fundierte Zahlen aus Deutschland und anderen Ländern bestätigen die Sicherheit der Hausgeburt bei entsprechenden Rahmenbedingungen, die definitiv vergleichbar mit der von Spitalsgeburten ist, bei deutlich geringeren Interventionen.
Im Jahr 2005 verabschiedete der Bund Deutscher Hebammen eine Resolution zum Schutz der normalen Geburt, da nur mehr eine verschwindend kleine Minderheit von knapp sieben Prozent aller Frauen ihre Kinder ohne medizinische Interventionen zur Welt bringen. Auch wenn keine Komplikationen zu erwarten sind und die Geburt normal verläuft, kommen routinemäßig Technik und Medikamente zum Einsatz und dies nicht immer zum Nutzen von Mutter und Kind. Etwa jede vierte Frau entbindet heute per Kaiserschnitt (Tendenz steigend), oftmals ohne stichhaltige medizinische Begründung.
Belegt ist, dass eine normale Geburt die Stillrate fördert und die Eltern-Kind-Bindung stärkt. So natürlich und ungestört wie möglich, so viel Medizin wie nötig sollte oberster Leitsatz einer leistbaren Geburtshilfe für alle Frauen sein.
Eva Fernandez-Thanheiser
Wahlhebamme in NÖ
Natürlich habe ich auch viele persönliche Reaktionen erhalten, und zwar viel Fürsprache, nicht zuletzt vom Kinderarzt, der Karolin betreut.
8. Anfrage an Bundesminister Stöger
3667/AB XXIV. GP - Anfragebeantwortung 1 von 6 1 von 6
Eingelangt am 14.01.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.
BM für Gesundheit
Alois Stöger diplômé, Bundesminister
Frau Präsidentin des Nationalrates
Maga. Barbara Prammer
Parlament, Wien
Anfragebeantwortung GZ: BMG-11001/0349-I/5/2009
Wien, am 14. Jänner 2010
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3696/J des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Einleitend ist festzuhalten, dass zur vorliegenden Anfrage eine Stellungnahme des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger eingeholt wurde.
Frage 1: Wie viele frei praktizierende Hebammen sind in Österreich tätig und wie viele sind Vertragspartnerinnen eines öffentlichen Krankenversicherungsträgers?
Mit Stand 1. Jänner 2009 üben 804 Hebammen ihren Beruf sowohl in der freien Praxis wie auch im Krankenhaus aus, 261 Hebammen üben ihren Beruf nur in freier Praxis aus.
Der Hauptverband teilt dazu in seiner Stellungnahme mit, dass zum Stand Dezember 2008 insgesamt 191 Hebammen in einem Vertragsverhältnis zu den §2-Kassen (GKK, BKK, SVB) standen. Die BVA hatte mit Stichtag 31. Dezember 2008 österreichweit 224 Hebammen unter Vertrag; die SVA steht österreichweit derzeit mit 317 freiberuflich tätigen Hebammen in einem Vertragsverhältnis.
Frage 2: Wo überall gibt es regionale Versorgungslücken, sodass Hausgeburten auf Kosten der Krankenversicherungsträger nicht möglich sind?
Nach Mitteilung des Hauptverbandes wird generell bei der Gestaltung des Stellenplanes darauf geachtet, dass derartige Versorgungslücken nicht entstehen. Ist eine Hebamme verhindert, kann auch eine andere Vertragshebamme kontaktiert werden. Es kommt aber vor, dass sich selbst nach Ausschreibungen freier Stellen keine Interessentinnen melden.
Weiters muss aufgrund der Stellungnahmen der Krankenversicherungsträger festgehalten werden, dass selbst dann, wenn Kassenverträge mit Hebammen vorhanden sind, dies nicht bedeutet, dass Hausgeburten auf Kosten der Krankenversicherung möglich sind: Das hängt nicht vom Kassenvertrag, sondern von der Bereitschaft der Hebammen ab, überhaupt Hausgeburten durchzuführen. So hat die OÖGKK mitgeteilt, dass von insgesamt 51 Vertragshebammen lediglich 15 Hebammen auch Hausgeburten auf Rechnung der Sozialversicherung erbringen. Dies vor dem Hintergrund, dass viele Vertragshebammen ihre vertragliche Tätigkeit quasi nur „nebenberuflich“ ausüben und daneben als Hebamme in einem Krankenhaus angestellt sind. Aus diesem Grund ist es sehr schwierig, Hebammen in Vertrag zu nehmen, die bereit sind, neben der Vor- und Nachbetreuung auch Hausgeburten durchzuführen. Auf die Möglichkeiten auch Fachärzte/-ärztinnen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Anspruch zu nehmen, darf hier verwiesen werden.
In Niederösterreich sind keine derartigen Lücken bekannt. Es wird bei der Vertragsvergabe auf eine flächendeckende Versorgung Bedacht genommen. Mit der Landesgeschäftsstelle Burgenland des Österreichischen Hebammengremiums ist ein Stellenplan vereinbart, demnach fünf Vertragshebammenstellen, verteilt über das Burgenland, vorgesehen sind. Von diesen fünf Planstellen konnten bislang nur zwei besetzt werden. Im Dezember 2009 findet neuerlich eine Ausschreibung der drei vakanten Stellen statt. Die für die Bezirke Fürstenfeld und Judenburg vorgesehenen Vertragsstellen sind unbesetzt. Derzeit werden in der Stadt Salzburg sowie im Pongau und im Pinzgau keine Hausgeburten gegen Kassenverrechnung angeboten. In Vorarlberg sind derzeit drei von elf Vertragsstellen „besetzt“. In den letzten Jahren führte die VGKK im Einvernehmen mit dem Österreichischen Hebammengremium ein Ausschreibungs-verfahren aufgrund eines konkreten Antrages einer Hebamme durch. Diese Stelle wurde in der Folge mit der Antragstellerin besetzt.
Die Vertreterinnen des Österreichischen Hebammengremiums stehen mit der Kasse in ständigem Kontakt. Sie sind über die freien Stellen in Vorarlberg informiert und es ist ihnen bekannt, dass die Kasse gerne dazu bereit ist, diese auch zu besetzen.
Frage 3: Was gedenken Sie zu tun, dass solche Lücken geschlossen werden?
Dazu halte ich grundsätzlich fest, dass ich im Hinblick auf die Autonomie der Krankenversicherungsträger in Ausübung ihrer Vertragsabschlusskompetenz keinen bestimmenden Einfluss auf die Anzahl und örtliche Verteilung von Vertrags-hebammen sowie auf die Höhe ihrer Honorierung durch die Krankenversicherungsträger nehme.
Im Übrigen verweise ich auf Ausführungen des Hauptverbandes zu Frage 2.
Frage 4: Welcher Anteil der jährlichen Geburten sind geplante Hausgeburten?
Dem Jahrbuch für Gesundheitsstatistik 2008 der Statistik Austria ist zu entnehmen, dass im Jahre 2008 insgesamt 98,6% der Kinder in Krankenanstalten zu Welt kamen. Von den verbleibenden 1,4% kamen 1,14% (877 Kinder) in der Wohnung der Mutter zur Welt. Eine Unterscheidung zwischen geplanten und ungeplanten Hausgeburten ist dieser Statistik nicht zu entnehmen.
In diesem Zusammenhang wird auf eine Publikation des Österreichischen Hebammen-gremiums, die im September 2009 erschienen ist, hingewiesen: „Die außerklinische Geburtshilfe in Österreich, Bericht für die Jahre 2006 und 2007“. Dieser erste Bericht über die außerklinische Geburtshilfe in Österreich liefert Informationen rund um die Hausgeburt.
Auch der Hauptverband teilt dazu mit, dass nicht gesondert erfasst wird, was eine „geplante“ Hausgeburt ist, und stellt auf Basis der übermittelten Mitteilungen der Versicherungsträger folgende Informationen zur Verfügung: Insgesamt wurden im Jahr 2008 seitens der NÖGKK 1.118 Hebammenbetreuungen verrechnet. Eine Auswertung, wie viele (geplante) Hausgeburten stattgefunden haben, ist nicht möglich. Der STGKK wurden im Jahr 2008 von denVertragspartnerinnen 60 Hausgeburten abgerechnet. Bei der KGKK gab es im Jahr 2008 von insgesamt 3.876 Geburten 49 Hausgeburten. Mit der SGKK wurden im Jahr 2008 insgesamt 59 Hausgeburten verrechnet. Mit der BVA wurden im Jahr 2008 insgesamt 53 Hausgeburten vertraglich abgerechnet. Die Zahl der Hausgeburten ist bei der SVB seit Jahren sehr gering und liegt, wie die nachfolgende Aufstellung zeigt, bei ca. 6 bis 11 % der Normalgeburten im Krankenhaus.
Jahr 2006 2007 2008 Normalgeburten im Spital 723 728 702 Kaiserschnitt 149 168 140 Hausgeburt* 82 45 66 Kaiserschnitt in % der Normalgeburten 20,6 23,1 19,9 Hausgeburt in % der Normalgeburten 11,2 6,2 9,3 Durchschnittskosten Hebamme/Geburt 323,75 427,58 440,21
-
inkl. der Fälle, die nach der Geburt im Spital aufgenommen wurden
Frage 5: Halten Sie den geltenden Tarif für Abgeltung von Beistandsleistung bei einer Geburt (390,- Euro brutto) für die frei praktizierende Hebammen für angemessen?
Wie bereits zu Frage 3 ausgeführt, nehme ich im Hinblick auf die Autonomie der Krankenversicherungsträger in Ausübung ihrer Vertragsabschlusskompetenz keinen bestimmenden Einfluss auf die Höhe der Honorierung von Vertragshebammen durch die Krankenversicherungsträger.
Aus der Sicht des Hauptverbandes wird diese Frage - angesichts des unterschiedlichen Leistungsspektrums bzw. der unterschiedlichen Finanzierungsströme für Ärzte/Ärztinnen und Spitäler – mit ja beantwortet. Wie der Hauptverband dazu weiter ausführt, handelt es sich dabei um einen mit dem Österreichischen Hebammengremium vereinbarten Vertragstarif. Zu ihm kommen noch die Honorare für die begleitenden Leistungen, sodass das Gesamthonorar aus einer Hausgeburt wesentlich höher zu veranschlagen ist (siehe unten). Dieser Tarif wurde zwischen dem österreichischen Hebammengremium und dem Hauptverband im Rahmen des Hebammengesamtvertrages im gegenseitigen Einvernehmen vertraglich festgelegt.
Frage 6: Finden Sie es vertretbar, dass die Zeit der Rufbereitschaft vor einer Geburt im Gesamtvertrag der Hebammen nicht abgegolten wird?
Ich darf auch hier auf meine grundsätzlichen Anmerkungen zu Frage 3 verweisen.
Der Hauptverband teilt zu dieser Frage mit, dass die Zeit der Rufbereitschaft vor der Geburt Bestandteil einer Hausgeburt und somit tariflich mit dem Geburtspauschale abgegolten ist. Auch bei anderen Vertragsbehandler/inne/n (z.B. Vertragsärzt/inn/en) wird keine extra Abgeltung für die Rufbereitschaft honoriert. Die Tarifgestaltung ist einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen. Bei der Gesamtbeurteilung der Honorierung für die zu erbringenden Leistungen (beginnend mit der Vorbereitung, den Hausbesuchen, Weggebühren usw.) erscheint eine gesonderte Honorierung der Rufbereitschaft nicht notwendig.
Wie der Hauptverband weiter ausführt, sind die vertraglichen Regelungen im Hebammengesamtvertrag ein Kompromiss nach langwierigen Verhandlungsgesprächen. Sofern die Vereinbarung nicht von einer Seite aufgekündigt wird, ist davon auszugehen, dass es für beide Seiten ein tragbarer Kompromiss ist. Wenn eine bestimmte Leistung einer Hebamme nicht separat abgegolten wird, muss davon ausgegangen werden, dass diese Leistungen von anderen vertraglich geregelten Positionen mit umfasst sind (z.B. im Besuchstarif).
Frage 7: Wie erklären Sie den steigenden Anteil von Kaiserschnittgeburten (im Burgenland 2008 z.B. schon bei 30,2%) und die Diskrepanz zu dem von der WHO empfohlenen Anteil von 10%?
Ursache der gestiegenen Rate an Kaiserschnitt-entbindungen dürfte ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis auf Seiten der werdenden Eltern und auch der betreuenden Ärztinnen und Ärzte sein. Ärztlicherseits werden Risiken für Mutter und Kind heute anders eingeschätzt als früher und im Falle des geringsten Verdachtes auf ein erhöhtes Geburtsrisiko wird aus Sicherheitsgründen rascher zur Schnittentbindung tendiert. Dazu kommt, dass sich durch eine Verbesserung der technischen Möglichkeiten im Bereich der Betreuung Frühgeborener das aktive Vorgehen der Geburtshilfe bei Frühgeburten in immer niedrigere Schwangerschaftswochen verschiebt. Dabei wird der Kaiserschnitt als der schonendste Geburtsmodus angenommen. Seitens der Schwangeren dürften Angst vor Beckenbodenschädigung, vor Geburtsschmerz und vor Schädigung des Kindes im Geburtsverlauf mit dazu beitragen, dass sie eher zu einem Kaiserschnitt tendieren. Eine geringe Rolle spielt wohl auch die Möglichkeit der besseren zeitlichen Planbarkeit von Kaiserschnittgeburten.
Frage 8: Welche öffentlichen Kosten verursachen eine Hausgeburt, eine normale Geburt im Spital und eine Kaserschnittgeburt im Durchschnitt?
Wie der Hauptverband ausführt, liegen gemäß den vorliegenden Daten (Zeitraum Juli 2007 bis Juli 2008) die von der sozialen Krankenversicherung für eine von einer Vertragshebamme durchgeführte Hausgeburt zu tragenden Kosten in einer Größenordnung von über € 1.000,-- (Geburtspauschale, Kilometergebühr, Ordinationen, Hausbesuche und Materialien).
Auf Basis der Dokumentation in Krankenanstalten des BMG lagen die durchschnittlichen Kosten für Aufenthalte in landesgesundheitsfondsfinanzierten Krankenanstalten im Erhebungsjahr 2008 für einen Aufenthalt mit normaler Entbindung bei € 2.670 (bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 4,1 Tagen) und mit Entbindung durch Kaiser-schnitt bei € 5.230 (bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 7,3 Tagen). Der Anteil der öffentlichen Kosten daran kann von Bundesland zu Bundesland und von Krankenhaus zu Krankenhaus erheblich differieren.
Frage 9: In einem konkreten Fall in Vorarlberg hat eine Mutter den Rechtsstreit mit der VGKK betreffend Kostenersatz für die Hausgeburt verloren (http://www.alton.at/projekte/hausgeburt/). Wie gedenken Sie diese Ungleichbehandlung aufzuheben?
Nach meinem Informationsstand wurden von der VGKK die gesetzlich vorgeschriebenen Kosten für eine Hausgeburt durch eine Wahlhebamme erstattet. Die VGKK erhielt nach meinen Informationen auch in allen Instanzen Recht. Ich gehe daher nicht von einer Ungleichbehandlung aus.
Frage 10: Können Sie ausschließen, dass „Wunschkaiserschnitte“ (ohne medizinische Indikation bzw. mit „Gefälligkeitsindikation“) auf Kosten der Allgemeinheit von öffentlichen Krankenversicherungsträgern bezahlt werden?
Hiezu führt der Hauptverband aus, dass davon auszugehen ist, dass in jedem Einzelfall, der auf Kosten der Sozialversicherung durchgeführt wird, der behandelnde Arzt/die behandelnde Ärztin (im Einvernehmen mit dem verantwortlichen Rechtsträger der jeweiligen Krankenanstalt) im Bereich seiner/ihrer Verantwortung die medizinische Indikation für einen Kaiserschnitt festgestellt hat. Wo Auffälligkeiten bekannt werden, wird mit den jeweiligen Verantwortlichen Rücksprache gehalten. Reine „Wunschkaiserschnitte“ können von Seiten des Hauptverbandes nicht ausgeschlossen oder gar verhindert werden. Die Entscheidung, ob ein Kaiserschnitt durchgeführt wird oder nicht, obliegt dem behandelnden Arzt bzw. der behandelnden Ärztin vor Ort. Auf diese Entscheidung hat die soziale Krankenversicherung keinen Einfluss bzw. kann die fachliche Richtigkeit der Entscheidung im Nachhinein nur schwer beurteilt werden.
Frage 11: Planen Sie Maßnahmen, um die Kaiserschnittrate zu senken und wenn ja, welche?
Im Jänner 2010 ist im Bundesministerium für Gesundheit ein Round-Table-Gespräch „Kaiserschnitt“ einberufen, bei dem über Ursachen und Maßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Anstiegs der Kaiserschnittrate beraten werden wird.
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_03667/index.shtml
1 Care in normal birth: A practical guide. WHO, 1997.
26