Neue Werte für die Wirtschaft sind möglich

Christian Felbers Beiträge in der Wiener Stadtzeitschrift Falter zur Wirtschaftspolitik liessen erahnen, dass nicht Spekulation und Polemik, sondern ein Konzept im Hintergrund seiner Analysen stehen muss. Dieses hat er nun in einem 330 starken Buch gut verständlich aufbereitet. Mehr in diesem Blogbeitrag.

Viele haben den Kapitalismus kritisiert, schafft er doch Ungleichheit, unterspült unser Ökosystem und bietet längst nicht allen dieselben Chancen. Die zentralen Versprechen, Freiheit und Glück, werden nicht eingelöst, der Turbokapitalismus macht krank. Gewiss hat der Kapitalismus immensen Reichtum geschaffen, doch nach Erfüllung zentraler Bedürfnisse stellt sich für viele Menschen die Frage, wie dieser Reichtum gerecht verteilt werden kann und was tatsächlich Lebensqualität ausmacht. Der Kapitalismus erzieht uns dazu, nicht selbstbestimmte Werte und Ziele zu verfolgen, sondern für den Wachstum zu arbeiten. Wir ernten Erfolg, wenn wir durch Verdientes etwas kaufen können, wofür wir bewundert werden wollen: Autos, Reisen, Mode.

Die kapitalistischen Werte Leistung, Konkurrenz, Effizienz, Gewinn und Wachstum, so Felber im Vorwort, passen nicht mit unseren demokratischen und humanistischen Grundwerten zusammen, denn die Werte des Lebens sind Freiheit (im Sinne von Selbstbestimmung), Gleichheit (im Sinne von Gerechtigkeit), Brüderlichkeit als Solidarität, Verantwortung, Vertrauen, Verbundenheit und Anerkennung.

In neun Kapiteln analysiert Felber präzise die zur Debatte stehenden Werte, woher sie kommen und wie sie in der Wirtschaft gelebt werden oder in einer neuen Wirtschaft gelebt werden könnten; nach jedem Kapitel werden die Thesen zusammengefasst. Etwa dass der weltweite Standortwettbewerb Sozialleistungen und ökologische Standards untergräbt: hier braucht es mehr Mut zur Kooperation und Schutz regionaler Märkte. Die Privatisierung von Wissen in Form von Patenten mag Investitionen zwar schützen, blockiert aber auch Innovation und führt nicht notwendigerweise zu mehr gesellschaftlichem Reichtum.

Felber skizziert im zehnten Kapitel eine Alternative zum heutigen Wirtschaften, das nicht der Anhäufung von Privateigentum dient, sondern einer modernen Allmende. Diese wird über Gremien verwaltet, in denen NutzerInnen,. die öffentliche Hand, Beschäftigte und ein Gender-Gremium Kontrolle ausüben. Das Privateigentum wird nicht abgeschafft, aber die Möglichkeit zur Besitzanhäufung soll limitiert sein. Hedgefondsmanager verdienen heute bis zu 2 Milliarden Dollar im Jahr; in der Schweiz ist die Obergrenze für Pensionszahlungen das 7-fache der Mindestpension. Einkommen sollten daher in einer Region maximal das 20fache des Mindesteinkommens betragen.

  1. Private Unternehmensformen sollen weiter zugelassen sein, doch dürfen sie - abgesehen für geplante Investitionen - keine Gewinne machen.
  2. An die Stelle der Vernichtungskonkurrenz tritt die Kooperation.
  3. Das Gemeinwohl muss demokratisch definiert werden und alle Unternehmen haben dazu einen Beitrag zu leisten. Daraus leitet sich Leistung, Erfolg und Anerkennung im Wirtschaftssektor ab.
  4. Die Grösse von Unternehmen soll beschränkt sein.
  5. Banken sind ebenfalls nicht mehr gewinnorientiert und konzentrieren sich auf ihre alte Aufgabe, nämlich Investitionskredite aus Spareinlagen bereitzustellen.

Das klingt nach einschneidenden Massnahmen, aber für die meisten Unternehmen, insbesondere KMUs, ändert sich dadurch nichts, da ihre bescheidenen Gewinne für notwendige Investitionen verwendet werden. Auch die Kooperation ist für viele Unternehmen bereits gängige Praxis: Genossenschaften, ob im Banken-, Bau-, Handels- oder Dienstleistungssektor bewähren sich seit mehr als 150 Jahren als stabile Vehikel mit statistisch geringer Konkursgefahr. Die Selbstverwaltung eines Generalunternehmers für Open Source Software erlebe ich mit der osAlliance: EPUs oder KMUS sind motivierte Mitglieder, die wesentlich zum Erfolg beitragen, ohne Fixkosten für die Genossenschaft zu verursachen. Auch im Non-Profit Sektor etwa im Gesundheits- oder Kulturbereich hat die Kooperation einen hohen Stellenwert. Schwierig erscheint mir der Anspruch, das Gemeinwohl demokratisch festzulegen und jene Unternehmen, die viel dazu beitragen zu belohnen, etwa durch Förderungen oder Aufträge der öffentlichen Hand.

Bedürfnisse von Menschen in der westlichen Welt sind doch sehr unterschiedlich und einen Konsens herzustellen, welche Ziele wir erreichen wollen, stelle ich mir wie einen Dauerwahlkampf werbender Gruppen vor: Pensionisten und Studierende, Autolobby und Radfahrer, SMS-Junkies und Technikverweigerer haben doch jeweils konträre Vorstellungen vom Gemeinwohl.

Die Grösse von Unternehmen einzudämmen stelle ich mir hingegen leichter umsetzbar vor: man könnte wie vor der Wirtschaftsliberalisierung wieder Lizenzen vergeben. Und dass sich Banken statt auf Spekulationsgewinne wieder auf ihre Kunden konzentrieren kann sich nur positiv auf einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld auswirken: angesichts der ausufernden Privatverschuldung ein wichtiger Beitrag zu einer neuen Wirtschaftsethik.

Wenn derzeit Egoismus, Gier und Konkurrenz gefördert werden, so kann eine alternative gesetzliche Regulierung des Wirtschaftens andere Werte in den Vordergrund stellen. Felber liefert in seinem umfassend recherchierten Buch eine Reihe von Denkanstössen, die darauf warten, mit einer greifbaren Utopie Globalisierungsgegner und vom Burn-Out gezeichnete Sympathisanten weiter für eine neue Form des Wirtschaftens zu mobilisieren.

Christian Felber: Neue Werte für die Wirtschaft. Deuticke, Wien 2008.

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